Kunst & Gut

Meet & Piep: Verschollen in den Wendewirren

Regina Thiede /

Pelikan und Phönix von 1590 am Kapellenportal von Schloss Colditz
Im zweiten Teil der kleinen Reihe zu den Vögeln auf unseren Schlössern und Burgen begegnen uns zwei sagenhafte Vögel. Inzwischen fehlt von Pelikan und Phönix aber jede Spur.

Im 15. und 16. Jahrhundert gehörte Schloss Colditz zu den größten Bauprojekten der Wettiner. In dieser Zeit entstand auch die Kapelle mit einem reich verzierten Portal. Dieses Portal gibt es heute noch. Allerdings fehlt ein Großteil seiner ursprünglichen Figurenvielfalt inzwischen. Denn einst wurden die heute noch sichtbaren Wappen Kursachsens und Brandenburgs von zwei hier eher seltenen Vögeln umrahmt: einem Pelikan links und einem Phönix rechts.

 

Fotospot für Kriegsgefangene

Glücklicherweise ließen sich die Offiziere des Kriegsgefangenenlagers Oflag IV C während des Zweiten Weltkrieges gerne vor diesem großartigen Kapellenportal ablichten und so besitzen wir wenigstens scharfe Abbildungen davon. Auf den Fotos ist der Pelikan gut zu erkennen, der mit dem eigenen Blut seine Kinder wieder zum Leben erweckt – ein Symbol für die Erlösung der Christenheit durch Jesus Christus. Auf der anderen Seite findet man Flammen, die unter dem Phönix züngeln. Das Motiv des verbrennenden und neu geborene Vogels steht für die christliche Vorstellung von der Wiederauferstehung.

 

Spurensuche

Jahrhundertlang wachten diese mythischen Vögel über die Kapelle. Auch den Zweiten Weltkrieg haben die Skulpturen unter dem Schutzschirm der Alliierten noch gut überstanden. Auf den Fotos sind sie in einem halbwegs guten Zustand zu sehen.

 

Der saure Regen der Jahrzehnte danach muss ihnen aber sehr geschadet haben - trotz eines hölzernen Schutzdaches über dem Portal. Um 1985 beschließt das Institut für Denkmalpflege, sie abzunehmen und in Dresden restaurieren zu lassen. Die Engel und der Christus kamen kurz darauf nach Colditz zurück und werden derzeit (2021) nochmals überarbeitet und restauriert.

Schicksal ungeklärt

Die beiden Vögel erleben in Dresden die politische Wende. Zeitzeugen wollen sie dort noch gesehen haben. Dann verliert sich ihre Spur zwischen mehreren aufgelösten und wiedergegründeten Firmen und Zuständigkeiten.

 

Kein Mitarbeiter des Schlosses heftete sich an ihre Fersen. Es gab ja bis 1996 auch nur medizinisches und technisches Personal im Colditzer Krankenhaus-Schloss. Und so gibt es kein Protokoll und keinen Leihvertrag mit nachvollziehbaren Partnern, trotzdem mehrfach von diversen Seiten Nachforschungen angestellt wurden. Wir geben aber die Hoffnung, sie wiederzufinden, nicht auf. Weggeflogen können sie ja nicht sein…

Schon im Mittelater galten die Vögel Pelikan und Phönix als Symbole für bedingungslose bzw. christliche Liebe und die Auferstehung. Und so bleibt zu hoffen, dass es den beiden Vögeln irgendwann wieder vergönnt sein wird, am alten Platz vor der Kapelle von diesen Tugenden und Hoffnungen zu künden!

 

Museologin Regina Thiede ist eigentlich immer auf der Suche - in Colditz gibt es schließlich noch viele Rätsel zu lösen.

Weitere Teile unserer Reihe "Meet & Piep":

Die Sache mit den Störchen – Was die großen Zugvögel im Schloss Rochlitz außer einem guten Eindruck noch hinterließen.

Nestlinge und Ästlinge – Wie zahlreiche kleine Jungvögel unsere Museologen auf den Schlössern Rochlitz und Colditz auf Trab halten.

Emmaus und Schlaggan – Warum man Vogelnamen einfach so erfinden kann.

Jagdfalken und Haselhühner – Oder: Kann man Eichhörnchen essen?

Stockenten im obersten Stock – Wie schaffen es die Küken ins Wasser?

Japan bei Dresden – ein Schloss für Fasane.

Da lachen ja die Hühner! – Die Vogeltapete von Schloss Weesenstein.

Irokesentaube und Äffcheneule – Lange blieb in Colditz eine umwerfende Vogelwelt versteckt.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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