Histories

Meet & Piep: Emmaus und Schlaggan - zwei seltsame Vögel

Margitta Hensel / Regina Thiede /

Kopf eines Emu
Von der Antike bis in die Barockzeiten kannte man Vögel, die heutzutage völlig unbekannt erscheinen. Auch in den Schlössern von Colditz und Moritzburg tummelten sich solche Exemplare.

Biblische Tiernamen

Die Artenvielfalt war im 17. Jahrhundert noch nicht wissenschaftlich erfasst. Schon gar nicht die Vielfalt der durch die Kolonisation für die Europäer neuentdeckten Spezies fremder Inseln und  Kontinente. Die Bildung der europäischen Bevölkerung bezog sich vor allem auf die Bibel und so wurden fremdländische Namen in dieses bekannte Gerüst gepresst. Ein Beispiel hierfür ist der Emu, der in Europa als Vogel „Emmaus“ Einzug hält und damit ein sonderbares Phänomen aus Wortvermischungen und den Vorstellungen fremdländischer Fauna darstellt. Im biblischen Ort Emmaus begegnen zwei Jünger Jesu dem auferstandenen Jesus. Die Geschichte gehört in die Pfingstzeit und war überaus bekannt. Fakt ist, dass Gemälde der Spezies "Emmaus" im 17. Jahrhundert auftauchen und einen Vogel zeigen, der einem Emu oder Kasuar ähnelt.

Kassewarris - wie bitte?

Ein Colditzer Schlossinventar schreibt, in der Gräfin Gemach würde „der Vogel Casuarius, von andern Emaus genandt abgemahlet stehen“. In Moritzburg existiert ein solches Gemälde noch heute. Die Übersetzung seiner in holländischer Sprache verfassten Inschrift lautet: „Dieser Vogel ist genannt Kassewarris und ist hoch 7 Füße und ist gekommen aus Ost-Indien und ist geschenkt an seine Prinzliche Exzellenz“. Gemeint ist Prinz Moritz von Oranien, der im Jahre 1614 einen lebenden Kasuar von der Vereinigten Ostindischen Kompanie aus Batavia (heute Jakarta in Indonesien) geschenkt bekam. 

Seltener Vogel aus Porzellan

Den ersten Kasuar brachten die Holländer 1597 von Java nach Europa und lösten damit eine Sensation aus. In Dresden werden erstmals 1682 zwei Kasuare im königlichen Vorwerk Ostra erwähnt. Auch August der Starke besaß zwei dieser raren Vögel, die von den Modelleuren der Meißner Porzellanmanufaktur nahezu in Lebensgröße in weißem Porzellan nachgebildet wurden.

Rätsel im Fasanenschlösschen

Ein wahrscheinlich sächsisches Phänomen und den Museumsmitarbeitern gänzlich unbekannt dagegen war der Vogel, der sich hinter dem Namen „Schlaggan“ verbarg. 1816 tauchte er im Rauminventar des Moritzburger Fasanenschlösschens auf: und zwar saß der präparierte Vogel im Speisesaal auf einer kleinen Konsole über einer Eingangstür. Er muss zumindest die Größe eines Fasans oder einer Gans gehabt haben, denn über den weiteren Türen saßen vergleichbar große Vögel. Eine Nachtigall, die zum Gesang anschlägt und die damals auch oft Schlaghahn genannt wurde, konnte es also nicht sein. 

 

Rätsel gelöst?

In den Jagdverzeichnissen des Kurfürsten Friedrich August III. fand sich schließlich der Hinweis, dass er einen „Schlaggan über dem Teich“ geschossen habe. Könnte es sich möglicherweise um einen Haubentaucher gehandelt haben, der im 19. Jahrhundert auch als Schlaghahn bezeichnet wurde? 1826 sei das Präparat eines Haubentauchers entfernt worden, weil es „eingegangen“ sei, beschreibt ein anderer Quellenhinweis. In diesem Fall wäre unser „Schlaggan“ ein Schlaghahn in vielleicht sächsischer Schreibweise? Warum ein Haubentaucher jedoch überhaupt als Schlaghahn oder Schlaggan bezeichnet wird, bleibt rätselhaft. 

Margitta Hensel und Regina Thiede sind als Museologinnen für die Schlösser in Moritzburg und Colditz zuständig. Bei ihren Forschungen in alten Akten stoßen sie mitunter auch auf putzige Vögel mit seltsamen Namen.

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Letzte Änderung: 24.01.2020

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