Kunst & Gut

Von Indien auf die Albrechtsburg

Falk Dießner /

In den Räumen der Meißner Albrechtsburg ist schon so einiges passiert. Viele Exponate erzählen davon. Museologe Falk Dießner berichtet über sein Lieblingsobjekt, ein Nashorn, das ein berühmtes Vorbild hatte.

Fürstliches Vergnügen

Wenn einer eine Reise macht, dann kann er was erzählen! Von fremden Ländern, Menschen und Tieren zum Beispiel. Wenn man aber zuhause bleiben muss, könnte dann die Exotik nicht auch zu uns kommen? Und könnte man Flora und Fauna ferner Länder nicht auch hier bestaunen? Schon seit tausenden Jahren sammelten Menschen wilde Tiere, um sie zu präsentieren. Im mittelalterlichen Europa verfügten viele Fürstenhöfe über Tiergehege, vornehmlich für die Jagd.

Auch unterhalb der Albrechtsburg befand sich im 16. Jahrhundert ein solcher „Thiergarten“. Auf einer 1558 entstandenen Zeichnung des Meißner Lehrers Hiob Magdeburg sind darin mehrere springende Hirsche zu sehen. Aber neben der Jagd war der hohe Adel zunehmend auch an der Zurschaustellung von Tieren interessiert. Es entstanden Menagerien, die mit zum Teil sehr exotischen Geschöpfen glänzen konnten. Eine der berühmtesten Anlagen dieser Art besaß der portugiesische König Manuel I. in Lissabon. Dort lebten indische Elefanten ebenso, wie ein berühmt gewordenes Panzernashorn. Dürers Nashorn!

 

Im Mittelmeer ertrunken

Albrecht Dürer schuf 1515 eine Federzeichnung von diesem „Rhinocerus“. Es war als Geschenk des Gouverneurs von Indien, Afonso de Albuquerque, am 20. Mai 1515 nach Portugal gekommen und damit nach fast 1.300 Jahren das erste lebende Exemplar seiner Art in Europa! Als das Nashorn am Ende des Jahres dem Papst geschenkt werden sollte, ertrank es jedoch auf der Reise nach Rom bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer.

 

Dürer selbst hat das Tier nie gesehen. Er bekam lediglich zwei Briefe mit Beschreibungen aus Lissabon, wovon der zweite immerhin noch eine Skizze enthielt. Unter Berücksichtigung dieser dürftigen Quellenlage ist die einigermaßen stimmige Zeichnung Dürers bemerkenswert. Und sie entwickelte sich für ihn auch zu einem kommerziellen Erfolg, da das Bild als Holzschnitt in Hunderten Exemplaren gedruckt und verkauft wurde.

Dickhäuter aus Porzellan

Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein prägte Dürers Bild die europäische Vorstellung von Nashörnern. So entstand auch in der 1710 gegründeten Porzellanmanufaktur Meissen das erste plastische Nashorn nach Dürers Vorlage: Johann Gottlieb Kirchner (1706-1768) modellierte es im Jahre 1731.

 

Doch schon 16 Jahre später kam Clara nach Sachsen und warf Kirchners Gestaltung über den Haufen. Clara? Eine Nashorndame von Welt! Sie wurde 1738 in Bengalen geboren und betrat drei Jahre später holländischen Boden. Im Laufe ihrer siebzehnjährigen Ausstellungstour durch Europa weilte sie vom 5. bis 19. April 1747 in Dresden. Hier besichtigten sie nicht nur Kurfürst Friedrich August II. und seine Familie, sondern auch Mitarbeiter der Meissener Porzellanmanufaktur – wahrscheinlich sogar der berühmte Modelleur Johann Joachim Kändler (1706-1775). Ihm wird zumindest die Neufassung des Meissener Nashorns zugeschrieben, die um 1754 in natürlicherer Form und ohne das bei Kirchner noch vorhandene zweite Horn auf der Schulter entstand.

 

Eine frühe Ausformung dieses Kändlerschen Panzernashorns ist seit 2015 im Böttgerzimmer der Albrechtsburg zu sehen. Als Besonderheit trägt es auf der Seite die in Unterglasurblau aufgemalte Modellnummer 2333. Daraus kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit folgern, dass dieses Nashorn als Mustervorlage für die Modellierer und Bossierer, welche die Einzelteile (wie Kopf, Rumpf und Füße) zusammenfügten, gedient hat. Es wäre damit ein Hilfsmittel für die serielle Herstellung dieser Tierplastik in den Räumen der Albrechtsburg Meissen gewesen, in die es nun wieder zurückgekehrt ist.

 

Museologe Falk Dießner kümmert sich mit viel Herzblut um die Albrechtsburg Meissen  auch wenn er dafür manchmal eine dicke Haut braucht.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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