Gartenkunst

Das Kamelienhaus in Pillnitz feiert Jubiläum – von Verantwortung, Wissen und Technik

Stefanie Schuster /

Pillnitzer Kamelienhaus im November 2022
Nun ist er doch da, der Winter. Für die meisten Pflanzen im Pillnitzer Park ist es die Zeit der Winterruhe. Aber die berühmte Kamelie bereitet sich, wie jedes Jahr, auf die Blütezeit vor. Wer kümmert sich um die anspruchsvolle Pflanze? Und was ist das Besondere am modernen Winterschutzhaus aus Glas und Stahl? Eins ist sicher, wir feiern in diesem Winter seinen 30. Geburtstag!

Die Kamelie im Pillnitzer Schlosspark ist für mich etwas Besonderes. Ob zur Blütezeit zwischen Mitte Februar und Mitte April oder auch im Sommer, die alte elegante Dame zieht die Besucherinnen und Besucher in ihren Bann.

Überliefertes Wissen

Mehrere Generationen von Gärtnerinnen und Gärtnern haben diese exotische und nicht an unser Klima angepasste Pflanze gepflegt und gehegt, haben im Winter das Gewächshaus beheizt, im Sommer gegossen, für Schatten gesorgt und vieles mehr. Sie will es nicht zu nass haben und mag es sauer. Stickstoffdünger von Januar bis Mai ist ebenso zu beachten wie die richtige Dosis an Licht und Feuchtigkeit.

Neben dem grünen Daumen, der gewachsenen und weitergegeben Kenntnis über die Pflege und der Hingabe für dieses besondere Gewächs tragen auch die die Pflanze schützenden Winterhäuser zu ihrem Wohlergehen und Gedeihen bei.

Steckbrief Kamelie

  • Höhe: 8,94 m
  • Kronendurchmesser: 11,90 m
  • Umfang: 37,38 m
  • Stammumfang in Bodennähe: 2,22 m

Mit dem Schrecken davongekommen

Als die Kamelie im Jahre 1801 vom  Gärtnergesellen Carl Adolph Terscheck  an den heutigen Platz westlich der Orangerie gepflanzt wurde, diente das abbaubare (abschlagbare) „Konservationshaus“ auch zur Unterbringung anderer nicht winterfester Kübelpflanzen. Für das späte 19. Jahrhundert ist belegt, dass die Kamelie einzeln überbaut wurde. Haus und angrenzendes Heizhaus bestanden fast vollständig aus Holz. Am 3. Januar 1905 kam es, wohl durch zu starkes Heizen, zu einem Brand. Aber die Schlossgärtner hatten Glück im Unglück. Es war so kalt, dass das Löschwasser um die Pflanze gefror und sie so umhüllte und vor dem winterlichen Erfrieren schützte.

Kamelien und Häuser wachsen

Man nutzte das Jahr, um ein neues Schutzhaus zu errichten. Es entstand ein hölzernes Fachwerkhaus auf quadratischem Grund mit flachem Satteldach. Das Pflanzenhaus erhielt eine Heizung, die wieder in einem Anbau auf der nördlichen Seite untergebracht wurde.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schutzhaus baufällig und die Kamelie erhielt einen größeren zwölfeckigen Neubau. Neu war auch die Größe der Fenster, die nun bis zum Dach reichten. Mit dem nur leicht angeschrägten Dach erinnerte es schon stark an den jetzigen Bau. Die Besonderheit der Konstruktion waren die Heizungsrohre. Sie dienten gleichzeitig als tragendes Gerüst für die Konstruktion. Diese doch etwas skurril aussehende Konstruktion wurde – zumindest in den letzten Jahren – in der Sommersaison nicht abgebaut. Ob dies aus Kostengründen geschah oder aus Gründen der Baufälligkeit in den 1980er-Jahren ist nicht ganz sicher zu sagen. Den Anblick der Kamelie mit dem Gerüst aus Heizungsrohren kennen nur noch wenige unserer Gärtner.

 

Neue Zeiten neue Möglichkeiten

Seit nunmehr 30 Jahren werden die Gärtner durch ein technisches Meisterwerk in ihrer Arbeit unterstützt. Das neue Kamelienhaus aus Glas und Stahl bietet der Pflanze beste Bedingungen. Lichtdurchflutet ist sie vor der winterlichen Kälte geschützt. Die Warmwasserpumpenheizung sowie die computergesteuerte Befeuchtungs- und Schattierungsanlage sorgen in den Wintermonaten für notwendige 5°C und 60 % Luftfeuchtigkeit.


Die Planung des Hauses begann bereits 1987 geleitet durch den Architekten Peter Staufenbiel. Die Tragwerksplanung erfolgte durch Günter Pöschel und Olaf Kempe, die Stahlbaukonstruktion durch Roland Richter. Am 9. August 1991 erhielt die Maschinen- und Stahlbau Dresden GmbH den Auftrag für den Bau aus Stahl und Glas. Nach der Grundsteinlegung am 24. März 1992 erfolgte am 2. Oktober desselben Jahres die Übergabe an das Stadtgartenamt Dresden. Seither wird das Haus im Mai Richtung Orangerie und im Oktober wieder über die Kamelie verschoben.

 

Steckbrief Kamelienhaus

  • Höhe: 13,20 m
  • Außendurchmesser: 14,35 m
  • Gewicht: 54 Tonnen
  • Luftraum: 1864 m³
  • Technik: 4 Fahrwerke mit insgesamt 8 Rollen auf 2 Schienen

Vorbereitung und Aufregung

Bevor das Glashaus im Frühjahr verrollt wird, stehen einige Arbeiten an. Wege müssen abgesperrt, Heizungsschläuche, Temperaturfühler, Befeuchtung und Elektronik abgeklemmt werden. Nach der Entfernung der Stahlabdeckungen auf den Schienen und deren Reinigung müssen die Türen aufgeschraubt werden. Sind all diese vorbereitenden Arbeiten getan, können sich die Türen elektronisch öffnen und das Haus kann sich in Bewegung setzten. Das Zugseil in der Winde mit Gleichlaufwerk ist fest am Haus installiert – es zieht sich sozusagen selbst. Meist sind zu diesem Ereignis vermehrt Besucher im Park, die sich um das Haus herum sammeln, um das Spektakel zu beobachten.

Neben aller Routine liegt die Anspannung beim Gärtnerteam um Thomas Riedel und Frank Endler doch in der Luft. Läuft der Motor? Sind alle möglichen Hindernisse beräumt? Wird alles so funktionieren? Diese Prozedur wiederholt sich im Herbst in umgekehrter Reihenfolge.


Auch in diesem Jahr – zum 30. Mal – hat es wieder gut geklappt!
 

Stefanie Schuster arbeitet als Kulturpädagogin im Schlosspark Pillnitz und beobachtet mit großer Begeisterung die Hingabe der Gärtner zu ihren Schützlingen.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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