Am 23. April 1775 in London geboren, wuchs Joseph Mallord William Turner als Sohn eines Barbiers nahe der Themse auf. Seine Mutter starb zeitig. Deshalb hielt er sich häufig bei Verwandten auf dem Land auf, wo er lernte, Kupferstiche zu kolorieren und nach der Natur zu zeichnen. Sein Talent wurde von seinem Vater erkannt und seine Zeichnungen in seinem Barbierladen ausgestellt.
Förderer wurden auf ihn aufmerksam und ermöglichten ihm ein Stipendium an der Royal Academy. Schnell wurde er mit Architekturzeichnungen und mit dem Kolorieren von Kupferstichen erfolgreich.
Heute gilt William Turner als der berühmteste britische Landschaftsmaler aller Zeiten. Die Tate Gallery in London bewahrt viele seiner Gemälde und Aquarelle und vor allem seine Skizzenbücher auf. Schloss Weesenstein schaffte es mehrfach in die Skizzenbücher, leider nicht auf eines seiner großartigen Gemälde.
William Turner reiste gern
William Turner unternahm sehr viele Reisen, um sich Inspirationen für seine Landschaftsgemälde zu holen. Er reiste vor allem im Sommer. Im Winter malte er in seinem Atelier. Er liebte die Natur, vor allem das Meer und die Berge in Schottland, England und Wales. Gern fuhr er aber auch nach Frankreich, Belgien, Holland, Italien und nach Deutschland an den Rhein.
Im Sommer des Jahres 1817 unternahm William Turner seine erste Reise in das Rheintal. Mit der Postkutsche gelangte er über Belgien und die Niederlande nach Deutschland. Nach acht Tagen kam er in Köln an und sah zum ersten Mal den Rhein.
Nach Weesenstein kam der Maler auf seiner Reise nach Norddeutschland, an die Elbe und nach Prag im Jahr 1835. Es soll die originellste aller seiner Deutschlandreisen gewesen sein, denn er startete von Hamburg aus, fuhr dann nach Dänemark, von dort nach Berlin, Dresden und Prag.
William Turner sprach nur wenig Deutsch. Warum nahm er die Anstrengungen der langen Reisen auf sich? Eine Reise mit der Kutsche von Berlin nach Dresden dauerte beispielsweise 24 Stunden. Die Begegnungen mit der Natur entschädigten ihn für die Strapazen. Als touristischer Maler war er seiner Zeit voraus.
Die Reise nach Dresden
Dresden lag auf William Turners Reiseroute auf den Kontinent im Jahr 1835. Er interessierte sich für die Stadt mit ihrer Umgebung und ihrer Gemäldesammlung. Viele britische Reisende hatten die Reise von Dresden über Teplitz nach Prag schon vor ihm unternommen und Reisebeschreibungen verfasst, die er nutzte.
Unter anderem hielt er Denkmäler zur Erinnerung an den Kampf gegen Napoleon in seinen Skizzen fest, wie das Moreau-Denkmal in Dresden-Räcknitz. Von Dresden und seinen Ausflugszielen füllte er drei Skizzenbücher. Auf einigen der Skizzen erscheint Weesenstein zusammen mit der Dresdner Hofkirche auf einem Blatt.
Schon damals war für alle Besucher der Elbestadt, dem Elbflorenz, ein Ausflug in die Sächsische Schweiz ein absolutes Muss. In der Regel war es eine dreitägige organisierte Reise. Turner brach am 21. oder 22. September auf und kehrte am 24. September in sein Dresdner Hotel zurück. Wahrscheinlich reiste er mit einem Führer in einer kleinen Gruppe.
William Turner durchwanderte mit seiner Reisegruppe zunächst den Uttewalder Grund, erklomm die Bastei und die Burg Neurathen, fuhr nach Schandau. Von dort ging es nach Pirna. In seinem Skizzenbuch finden sich Zeichnungen der Marienkirche und der Festung Sonnenstein in Pirna, der Bärensteine, des Liliensteins, der Festung Königstein, der Schrammsteine und der Bastei. Die letzte eindrucksvolle Sehenswürdigkeit, die er vor der Rückkehr nach Dresden, zu sehen bekam, war das Schloss Weesenstein, das zu dieser Zeit König Anton von Sachsen gehörte. Hätte William Turner ihn vielleicht sogar treffen können? Laut dem Hoftagebuch war der König im Jahr 1835 zwanzigmal in Weesenstein.
Bald nachdem der Maler mit gefüllten Skizzenbüchern wieder in Dresden eingetroffen war, reiste er weiter nach Süden, nach Teplitz und Prag. In Teplitz fand gerade eine internationale Konferenz statt, an der neben anderen gekrönten Häuptern auch König Anton teilnahm. Alle Hotelzimmer waren reserviert, so dass William Turner weiterziehen musste. Von Prag aus trat er die Heimreise über Karlsbad, Nürnberg und Frankfurt an. Von Mainz aus ging es über Köln nach Rotterdam praktischerweise mit dem Dampfschiff nach Hause.
Auf der Seite der Tate Gallery können Sie virtuell durch das Skizzenbuch blättern und die Reise von William Turner nachvollziehen.
Wie arbeitete der Maler?
Um unterwegs arbeiten zu können, trug William Turner eine Art Reiseaquarellkasten mit sich. In einem Ledertäschchen bewahrte er Aquarelltabletten auf, die er in Wasser auflösen konnte. Er konnte bereits fertige Farben kaufen, die er in der benötigten Konzentration anrührte. Er arbeitete schnell und war enorm produktiv.
In England war William Turner häufig zu Pferd unterwegs. Er skizzierte sogar auf dem Pferderücken. Von ungefähr 500 Skizzen arbeitete er etwa 50 zu Gemälden oder Aquarellen aus. Der britische Spielfilm „Mr. Turner − Meister des Lichts“ von Mike Leigh aus dem Jahr 2014 beschreibt nicht nur die Persönlichkeit des Malers, sondern auch seine Arbeitsweise.
Schloss Weesenstein als Ausflugsziel
Zahlreiche in- und ausländische Gäste reisten als Tagesausflügler, wie in den Reiseführern empfohlen, von der Residenzstadt Dresden nach Weesenstein. Sie kamen wie William Turner aus England oder aus Irland, Dänemark, Polen, Russland, Frankreich und der Schweiz. Bisher wurde leider kein Eintrag von dem großen Meister im Fremdenbuch gefunden. So wissen wir nicht, ob er das Schloss nur von außen oder auch von innen gesehen hat. Jedenfalls muss er eine Wanderung um das Schloss unternommen haben, denn er zeichnete es aus verschiedenen Richtungen, vom Schlossgarten und vom Abendfrieden, aus der Nähe und aus der Ferne.
Mehr Informationen über William Turner in Dresden und der Sächsischen Schweiz finden Sie im 2024 erschienenen Text von Dr. Simone Simpson.
Dr. Birgit Finger, Museologin, hätte William Turner sehr gern bei seinem Spaziergang mit dem Skizzenbuch um das Schloss Weesenstein getroffen.