Was zum "Hack" ist Coding da Vinci?
Coding da Vinci ist der erste „Kultur-Hackathon“ Deutschlands. Bei der Wortschöpfung aus „Hack“ und „Marathon“ handelt es sich um einen Wettbewerb, bei dem Teilnehmende verschiedener Disziplinen innovative Soft- oder Hardwarelösungen entwickeln.
Für Coding da Vinci stellen Museen, Archive, Bibliotheken und Gedenkstätten Sammlungsdaten aus ihren Häusern zur Verfügung, die von den Teilnehmenden in neue digitale Anwendungen umgesetzt werden sollen. Nur sechs Wochen haben die Teams Zeit, funktionierende Prototypen zu entwickeln.
Innovative App, informative Datenvisualisierung oder interaktives Spiel − der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Doch eins ist klar: Es wird nach überraschenden und inspirierenden Wegen gesucht, wie Sammlungsobjekte auf neue Weise vermittelt und genutzt werden können.
Radikale Muster auf der Kaffeetafel
Wir schicken Kulturdaten aus der Sammlung von Schloss Colditz ins Rennen: Fotografien und Metadaten von avantgardistischer Spritzdekor-Keramik aus dem frühen 20. Jahrhundert.
In den 1920er und 1930er Jahren hatten drei große Colditzer Steingutfabriken Haushalts- und Gebrauchskeramik mit farbenfrohen Mustern produziert, die damals radikal modern waren. Kurz nach 1933 verordnete die NS-Reichskulturkammer jedoch die Hinwendung zum Volkstümlichen und die geometrische Pracht verschwand bis zum Zweiten Weltkrieg fast gänzlich wieder. Dieses fast vergessene Steingut haben wir für den Wettbewerb unter der offenen CC-BY-Lizenz zur Verfügung gestellt.
Hallo! Cześć! Ahoj!
Zeit, kreativ zu werden! Zum Kick-Off-Event am 19. und 20. März versammeln sich rund 40 datengebende Institutionen aus Tschechien, Polen und Deutschland in der SLUB in Dresden, während rund 90 Teilnehmende aus allen drei Ländern online zugeschaltet sind. Coding da Vinci Ost³ macht seinem Namen alle Ehre: Hallo, Cześć und Ahoj – es wird in der Muttersprache gesprochen, denn Dolmetscher übersetzen die Beiträge simultan vor Ort.
Platinen, Paris und historische Porträts
Nur eine Minute hat jede Kulturinstitution Zeit, um ihr Datenset von der Bühne aus dem Klemperersaal und über Zoom zu präsentieren. Von Astronomie bis Zuse-Computer ist alles dabei: eine kunterbunte Mischung an Kulturdaten. Unser Datenset um die farbenfrohe Keramik aus Colditz reiht sich neben wunderschöne Stadtpläne, Platinen und historische Porträts.
Nach 43 Datensets im Schnelldurchlauf geht es für Datengebende und Teilnehmende in den virtuellen Treffpunkt Gather.Town. Erste Projekte entstehen und werden daraufhin im Ideenpitch präsentiert. Gleich am nächsten Tag wird weiterentwickelt, es ist ja nicht viel Zeit. Sechs Input-Workshops geben parallel dazu einen Einblick in Game Design, IIIF, KI im Kulturbereich und Citizen Science.
Was mit Kulturdaten möglich ist
Am 30. April 2022 ist es dann soweit. Bei der Preisverleihung in der SLUB präsentieren 20 Projektteams ihre Ergebnisse. Eine internationale Fachjury kürt die besten Projekte in vier Kategorien. Auch das Publikum ist gefragt, das beliebteste Projekt zu wählen. Eine echte Überraschung: Gleich drei Projektteams haben die Spritzdekorkeramik aus Colditz zu neuem Leben erweckt!
Das Serious Game „Dackel in Trouble“ verknüpft Geschichte mit Geschick und lässt das knallige Kulturgut von einem kunstliebenden Dachshund in Sicherheit bringen.
„Fine Young Radicals“ bringt die geometrischen Muster als modulare Stempel von der Kuchenplatte auf die Einkaufstasche. So gelangen sie wieder in den Alltag – und können sogar zu neuen Mustern kombiniert werden.
Als Sinnbild radikaler Veränderungen findet das avantgardistische Dekor schließlich seinen Weg in „Radikale Gespräche“. Das gesprächsbasierte Kartenspiel deckt gesellschaftliche Umbrüche im 19. und 20. Jahrhundert auf und regt zum Nachdenken über die Zukunft an. Die Idee überzeugt nicht nur die Jury, sondern gewinnt als „Everybody`s Darling“ den Publikumspreis.
Auch alle anderen Ideen sind inspirierend: So macht ein Team kurzer Hand aus dem Handy einen Webstuhl, um historische Stoffmuster nachzuweben, ein anderes die Computertastatur zur Orgel-Klaviatur.
Letzteres kann übrigens bald auch in sächsischen Schlössern auf Inspirationssuche gehen: Das Orgel-Team gewinnt in der Kategorie Nachhaltigkeit und erhält unter anderem schlösserlandKARTEN von uns als Preis.
Alina Sikorski und Annekathrin Hermann arbeiten im Museumsbereich der Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten und haben Coding da Vinci als Datengeber und Kooperationspartner tatkräftig mitbegleitet. Sie freuen sich über die kreativen Ideen für die Colditzer Keramik, die so selbst 100 Jahre später nicht in Vergessenheit gerät.