Histories

Zur Ihren Diensten

Vom Leben und Arbeiten eines höfischen Lakaien

Constanze Görlich-Wolf /

Gemälde, das den Lakaien Johannes Delank zeigt
Das Leben der königlichen Familie ist uns wohl bekannt, aber wie sieht es mit den Angestellten aus? Wie und wo lebten sie? Was wissen wir über ihre Dienstwege und Reisen? Was über die Familien? Zumeist nicht viel. Doch zwei Notizbücher geben uns einen kleinen Einblick in die verborgene Welt der Dienerschaft …

Zur Verschwiegenheit verpflichtet

Paul Georg Delank hat einen festen Job. Er ist bei Prinzessin Mathilde als Kammerlakai angestellt und als solcher per Dienstvertrag zur Verschwiegenheit verpflichtet. Schade! Sehr schade. So wissen wir nur wenig über seine Arbeit. Kleine Einblicke geben zwei seiner erhalten gebliebenen Kladden-Notizbücher, in die er Wichtiges eingetragen hat.

Doch der Reihe nach: Versetzen wir uns 110 Jahre zurück – in das Jahr 1913. 
Paul ist 42 Jahre alt, verheiratet und fünffacher Familienvater. Das jüngste Kind ist gerade geboren, die beiden Großen gehen schon in die Schule. Die Delanks wohnen mitten in Dresden, auf der Ostra-Allee 21, im obersten Stock. Vermieter aller Wohnungen im Vorder- und Hinterhaus ist der Königliche Hof und so wimmelt es dort nur so von Lakaien, Schlossportieren, Oberhoftrompetern, „Kammerthürhütern“, Hausdienern, Köchen und Hausmarschallamtskanzlisten.

Per pedes und mit der Straßenbahn

In den Wintermonaten hat Paul einen kurzen Arbeitsweg. Er läuft die 500 Meter bis zum Taschenbergpalais. Dort wohnt Mathilde in der kalten Jahreszeit. 

 

In den Sommermonaten wohnt die Prinzessin in der königlichen Villa in Hosterwitz. Und Paul muss die Straßenbahn nehmen, um seinen Dienst antreten zu können. Die roten Wagen der Linie 18 fahren seit 1905 direkt vom Schlossplatz über das Blaue Wunder bis nach Pillnitz. Eine knappe Stunde dauerte die Fahrt mit der Elektrischen.

Für die Zeit seines Dienstes wohnt er im Küchenhaus gegenüber der Villa. Paul arbeitet meist 14 Tage in Hosterwitz und hat dann ein paar Tage frei, in denen er nach Hause fährt. Die ländliche Gegend gefällt ihm so gut, dass er ein paar Jahre später mit der ganzen Familie dahin übersiedelt.

Mit Malsachen & Maultieren zum Mer de glace

Die Prinzessin hat viele Hobbys. Sie liest und malt gerne, beherrscht verschiedene Fremdsprachen, schreibt Bücher und imkert in ihrem Garten. Mathilde liebt es auch zu reisen.

Auf allen (Dienst-)Reisen wird die Prinzessin von Personal begleitet: Als Lakai reist Paul 1910 mit in den Orient, 1913 geht es für fünf Wochen in die Schweiz, nach Frankreich, Italien und Österreich. Seine Notizbücher enthalten beeindruckende Packlisten. Zusätzlich zu Kleidung sind kistenweise Malsachen und ganze Fotolabore aufgelistet.

Paul verwaltet während der gesamten Fahrt die Reisekasse und führt akribisch Buch über alle Ausgaben: Fahrkarten, Hotelrechnungen, Trinkgelder für Zimmermädchen, Hausdiener und Kellner, Kaffee, Postkarten, Telegramme und Zeitungen. Im Gebirge mietet Paul für Mathilde Bergführer und Maultiere, er lässt Schuhe besohlen und nageln, Wäsche waschen und trägt in Venedig acht Lira für den Kauf eines Badeanzuges für Ihre Königliche Hoheit ein.

Gipfelgrüße und Reiseandenken aus den Alpen

Immer wieder nimmt sich Paul Zeit, seiner Familie Postkarten nach Hause zu schreiben. Da einige der Postkarten erhalten geblieben sind, wissen wir, dass er manchmal (zu) wenig Schlaf hat. Jeden Tag gibt es große Bergtouren: einmal ein Stück auf den Mont Blanc hinauf – auf über 3000m. Und am nächsten Tag wieder zurück. Das Befinden ist Gott sei Dank gut und er lässt alle grüßen.

Mathilde schreibt auch Karten und Briefe, vor allem aber malt sie. Die großen Gletscher am Mont Blanc haben es ihr angetan. Sie skizziert und malt auch direkt auf dem Gletscher. Zum Glück gibts eine Zahnradbahn, die das gesamte Zubehör aus Farben, Leinwänden, Pinseln morgens auf den Berg und abends wieder ins Tal befördert.

Ein Ölgemälde vom Mer de glace schenkt die Prinzessin Paul später als Reiseandenken. Es hängt erst in seiner Wohnung auf der Ostra-Allee, später in Hosterwitz.

Constanze Görlich-Wolf ist die Urenkelin des Lakaien Delank. Sie würde gern einmal in seine Dienstkleidung schlüpfen und das Leben bei Hof aus dieser Perspektive betrachten. Noch lieber würde sie mit ihm in Hosterwitz im Garten sitzen und ihn stundenlang ausfragen.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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