Ausgestellt!

Der Kaiser ist zurück!

Ein historischer Wandteppich kehrt zurück nach Moritzburg

Margitta Hensel /

Wandteppich mit Bildnis Kaiser Karl V., Detailansicht
Im Schloss Moritzburg bahnt sich eine Sensation an. Nach langen Verhandlungen gelang es, einen wertvollen Wandteppich für die Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen zu erwerben. Das historische Porträt Kaiser Karls V. wird nun der Öffentlichkeit präsentiert. Wir erzählen die Geschichte dahinter.

Karl und Moritz

Begeben wir uns zurück in die Zeit der Reformation, die Zeit Martin Luthers und der Einführung des protestantischen Glaubens in einigen deutschen Landesteilen. Seit den 1525er-Jahren hatten einige Reichsstädte und Herzogtümer den reformierten Glauben angenommen und ein Schutzbündnis zur Verteidigung geschlossen, den sogenannte Schmalkaldischen Bund. Der seit 1530 regierende Kaiser Karl V. strebt jedoch danach, die Reformation rückgängig zu machen, wenn nötig, auch mit Waffengewalt.

 

So kommt es 1546/47 zum Schmalkaldischen Krieg, in dessen Verlauf der Kaiser mit seinen Verbündeten das protestantische Lager militärisch schlägt. In der Schlacht bei Mühlberg nimmt der Kaiser seinen Hauptwidersacher Kurfürst Johann Friedrich den Großmütigen gefangen. Er entzieht ihm den Kurfürstentitel und überträgt ihn seinem Unterstützer Herzog Moritz von Sachsen aus der albertinischen Linie der Wettiner.

 

Seit 1541 regiert dieser das Herzogtum Sachsen, das 1539 bereits die protestantische Religion angenommen hatte. Als „Judas von Meißen“ wird Moritz nun verspottet. Später wird Moritz wiederum den Kaiser in die Flucht schlagen und sich an die Spitze der protestantischen Reichsfürsten stellen.

Zwischen Luther und den Türken

Der frisch gekürte Kurfürst Moritz will seine neue Würde und Macht zum Ausdruck bringen. Was eignet sich besser dafür, als ein neues Schloss in der Hauptresidenz Dresden?! Äußerlich lässt er es über und über mit biblischen und mythologischen Bildgeschichten in Sgraffito-Technik schmücken. Die innere Zierde besteht hauptsächlich aus farbenprächtigen, großformatigen Wandteppichen, die ebensolche Bildgeschichten erzählen. Zum Beispiel auch vom Türkenkrieg. Moritz zog zweimal bis Budapest, um gegen die Osmanen ins Feld zu ziehen. Von seinem Teppichwirker Heinrich von Hohenmühl lässt er sich davon eine Serie von 13 Wandteppichen weben und im sogenannten Steinernen Saal des Schlosses aufhängen.  

 

Aber wie zeigt man seine Dankbarkeit und Treue gegenüber der Obrigkeit? Man hängt ein Porträt auf. Und so lässt Kurfürst Moritz einen gewirkten Teppich mit dem Bildnis Kaiser Karls V. neben den Türkenzug hängen. Oder kann man es auch anders deuten? Denn gleich nebendran erscheint ein Wirkteppich mit dem Bildnis des Reformators Martin Luther! Siegt hier der Eine gegen den Anderen? Es bleibt zweideutig, Moritz lässt sich nicht festlegen.

 

Umzug nach Schloss Moritzburg

Jahrzehnte vergehen, das Dresdner Schloss wird mehrfach umgestaltet, die Räume modernisiert. Die Teppiche, nun schon gealtert, wandern in das Vorratsgewölbe. Dort werden viele ein Opfer des Schlossbrandes 1701. Die Türkenteppiche überleben, man zeigt sie noch im späten 18. Jahrhundert im Palais im Großen Garten, dann verliert sich ihre Spur. Und noch einer überlebt: Der Teppich mit dem Bildnis Kaiser Karls V.! Bis 1918 lässt er sich im Dresdner Schloss nachweisen. Bei der Revolution wird auch der sächsische König gestürzt.

 

Nach langen Verhandlungen erhält die ehemalig königliche Familie 1924 in der sogenannten Fürstenabfindung neben diversen Ländereien und Kunstwerken auch Schloss Moritzburg zugesprochen. Allerdings wird daran die Bedingung geknüpft, dass dort ein öffentliches Museum eingerichtet werden soll. Nun zieht auch der Kaiserteppich mit nach Moritzburg und findet dort ein neues Domizil. Gemeinsam mit seinen Zeitgenossen – Porträtgemälden von Lucas Cranach – schmückt er einen Raum in der ersten Etage des Schlosses. Bis 1945, als er verschwindet und für Jahrzehnte als Kriegsverlust gilt.

 

Rückkehr nach Sachsen

Was war passiert? Das Rätsel lüftet sich erst nach 2006, als die beiden Enkel des letzten Königs, die Prinzen Dedo und Gero, sich wieder in Sachsen ansiedeln, im Gepäck den Teppich. Ihr Vater, Prinz Ernst Heinrich von Sachsen, war mit den jugendlichen Söhnen 1945 zunächst nach Sigmaringen in Süddeutschland geflohen, um nicht in russische Gefangenschaft zu geraten. Von dort siedelte die Familie nach Irland über. Die beiden Prinzen zog es weiter nach Kanada. Hochbetagt konnten sie noch einmal in die alte Heimat zurückkehren, mit dem noch hochbetagteren Teppich.

 

Der war inzwischen unscheinbar geworden und wurde verkauft. Die renommierte Kunst- und Antiquitätengalerie Rudigier schickte den Teppich zunächst zu einer Schönheitskur. In der Königlichen Teppichmanufaktur De Wit im belgischen Mechelen erfolgte die sachgerechte Reinigung, um die alten Farben wieder zum Leuchten zu bringen. Und wie sie leuchten! Auch die Goldfäden schimmern wieder, nahezu wie vor fast 500 Jahren! Im Schloss Moritzburg können sich unsere Besucher nun selbst davon überzeugen.

 

Der Erwerb des Kunstwerks wurde gefördert von der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung.

 

Margitta Hensel arbeitet als Museologin im Schloss Moritzburg und freut sich über den wertvollen Zuwachs für das Museum.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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