Hinter den Kulissen

Und plötzlich ist man Digital Native!

Annekathrin Heichler /

mit dem Histopad auf der Albrechtsburg Meißen
Zwei Jahre lang pendelte ich wöchentlich von Berlin nach Dresden, um mein Volontariat im Museumsbereich zu machen. Lohnte sich der Aufwand? Ja! Weil es die Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen waren.

Beep beep beep – klingelt mich der Wecker aus dem Schlaf. Es ist Montag, 5:30 Uhr, und wieder einmal frage ich mich: Ist es das wirklich wert? Müde stehe ich auf, trotte zum Bus und setze mich in den Zug. Über zwei Stunden dauert die Fahrt von Berlin nach Dresden – über zwei Stunden Arbeitsweg, jeden Montag, jeden Freitag. Es ist anstrengend. Aber am Ende der Woche lautet die Antwort stets: Ja.

Zwei Jahre lang habe ich als wissenschaftliche Volontärin im Bereich Museen bei den Staatlichen Schlössern, Burgen und Gärten Sachsen (SBG) gearbeitet. Von September 2018 an verbrachte ich meist fünf Wochentage in der „Zentrale“ in Dresden, die Wochenenden (Privatleben) in meiner Heimatstadt. Das Pendeln an sich kann ich nicht weiterempfehlen, das Volontariat bei SBG dafür umso mehr.

Praxiserfahrung first!

Bei einem Volontariat geht es darum, praktische Erfahrungen im Museumsbetrieb zu sammeln. Für die meisten wissenschaftlichen Stellen im Museum ist es Voraussetzung. Denn das bringt einem im Studium (in meinem Fall: Kunstgeschichte & Kunsttechnologie) fast keiner bei: wie man eine Leihanfrage stellt, eine Ausstellung entwickelt oder ein Sammlungsobjekt inventarisiert. Idealerweise umfasst das Volontariat deshalb das ganze museale Spektrum: Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln.

Ich spreche von „idealerweise“, weil die Realität vielerorts oft anders aussieht. Bei den sächsischen Schlössern hat es aber sehr gut funktioniert. Der eigens für mich erstellte Ausbildungsplan wurde zwar schnell durcheinandergebracht, weil sich Projekte verschoben oder spontan hinzukamen. Geschadet hat das jedoch nicht – am Ende war alles dabei.

Fantastische Projekte

Gerade als ich in Dresden anfing, brauchte der Bereich Museen jemanden, der eine kurzfristige Sonderausstellung im Palais im Großen Garten kuratiert. So kam ich unerwartet zu meinem ersten Ausstellungsprojekt, das mich einige Nerven kosten sollte, am Ende aber viel Spaß gemacht hat. Steile Lernkurve inklusive. Dankenswerterweise konnte ich jederzeit auf Unterstützung aus dem Team zählen. Wenn nötig, hat es mir auch mal den Schubs in die richtige Richtung gegeben – sonst hätte ich die Chance, die Eröffnungsrede zu halten, vielleicht verpasst.

Genauso spannend war es, den Werdegang mehrerer innovativer Projekte mitzuerleben. Zum Beispiel Festung Xperience, das den Besuch des musealen Raums zu einem multimedialen Erlebnis macht. „Neben der klassischen musealen Präsentation beschreiten wir auch neue Wege in der Vermittlung“ war übrigens der Satz in der Stellenausschreibung, der mich zu einer Bewerbung angeregt hatte. Bloß kein Volontariat in einem verstaubten Museum mit eingefahrenen Mustern!

Und das wurde es auch nicht. Wie auch, bei solchen „Sahneschnittchen“: Mitarbeit an der Neuvermittlung und Erforschung von Schloss Moritzburg, dessen Geschichtenschatz unbedingt neu erzählt werden muss. Oder die Mitgestaltung des Wissensportals, das die Häuser und Gärten seit kurzem auch in den digitalen Raum trägt. Dass ich dafür zwei Volontariatsstellen in Berlin abgelehnt habe, bereue ich bis heute nicht.

Der einzige „Digital Native“

In irgendeiner Besprechung zum Wissensportal fiel dann der Satz, den ich wahrscheinlich am meisten in Erinnerung behalten werde: Ich sei der einzige Digital Native im Raum. Bei über 20 Anwesenden aus zwei Abteilungen. Digital Native? Bei meinem ersten Smartphone war ich fast volljährig! Aber sei’s drum. Digitale Kulturvermittlung liegt mir ja wirklich am Herzen. Viele andere Kollegen und Kolleginnen sind in dieser Hinsicht jedoch genauso motiviert.

Gerade in den letzten Monaten konnten wir uns der digitalen Kulturvermittlung besonders intensiv widmen. Die Corona-Krise hatte hier ein Gutes: dass für das Digitale plötzlich viel Zeit da war. So kann ich mittlerweile auch an das Kuratieren meiner ersten virtuellen Ausstellung einen Haken machen.

Alltag mit Charme

Alltäglichere Aufgaben wie die Organisation von Betriebsausflügen, die Pflege der Sammlungsdatenbank, das Schreiben von Protokollen oder das Aushelfen auf Veranstaltungen gehörten natürlich auch manchmal dazu. Mit einem herzlichen Team im Rücken war aber auch das kein Problem. Und wer weiß, wenn ich nicht auf der ITB ausgeholfen und zufällig die französischen Firma Histovery getroffen hätte, würden nun vielleicht nicht zwei unserer Schlösser mit neuen immersiven Multimediaguides ausgestattet werden…

Jetzt, im August 2020, frage ich mich: Sind die zwei Jahre wirklich schon vorüber? Die Zeit verging wie im Flug! Sie wird mir fehlen. Und ein bisschen auch die Elbhänge, wie sie in der Morgensonne am Zugfenster vorbeiziehen.

 

P.S.: An alle "Volos": Dank der großen Dresdner Kulturlandschaft gibt es übrigens noch viele andere nette Volontäre und Volontärinnen in der Gegend, mit denen man sich austauschen und vernetzen kann. Schaut mal rein beim Arbeitskreis Volontariat Mitteldeutschland – es lohnt sich!

Annekathrin Heichler hat als Volontärin so perfekt zu uns gepasst, dass wir Sachsen fast vergessen haben, dass sie aus Berlin kommt. 


Letzte Änderung: 24.01.2020

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