1813 war es so weit. Die Weltgeschichte war für einen kurzen Moment zu Gast im verschlafenen Städtchen Nossen: Napoleon Bonaparte, Kaiser der Franzosen, bezog für wenige Stunden hier im altehrwürdigen Amtschloss hoch über der Freiberger Mulde sein Quartier.
Noch einmal konnte der Feldherr ein kurzes Comeback feiern. Nach seiner Niederlage im Russlandfeldzug hatte Napoleon im Frühjahr 1813 das Kriegsglück nämlich erneut auf seine Seite zwingen können. Dabei war ihm der sächsische König ein treuer Verbündeter.
Kriegsgetöse in Mittelsachsen
Während Sachsen von preußischen und russischen Truppen besetzt wurde, marschierten die französischen Truppen und ihre sächsische Verstärkung über Borna, Colditz und Waldheim auf Dresden zu. Seit dem 2. Mai hatte es auch in der Gegend um Nossen Kämpfe gegeben. Russische Truppen unter Großfürst Konstantin waren dem Feind durch das Muldenstädtchen entgegengezogen, mussten sich aber bald wieder vor den zahlenmäßig weit überlegenen Franzosen zurückziehen.
Freiherr Ernst Otto Innozenz von Odeleben, der den Zug Napoleons im sächsischen Heer begleitete, beschrieb den russischen Rückzug: „Es zog Wagen an Wagen, Kanone an Kanone und Mann an Mann auf der Straße von Waldheim her durch Nossen nach Dresden.“ Düstere Staubwolken und schließlich ein heftiges Gewitter begleiteten die unheilvolle Szenerie.
Napoleon in Nossen
Am 6. Mai erreichte die französische Vorhut unter Napoleons Stiefsohn Eugène de Beauharnais Nossen und nahmen Schloss und Städtchen in Besitz. Die meisten Nossener waren da freilich schon längst geflüchtet und versteckten sich im nahen Siebenlehn und in umliegenden Dörfern.
Napoleon selbst kam wohl am 7. Mai in Nossen an und quartierte sich im Küchenbau des Schlosses, in der Wohnung des Gerichtsdirektors, ein. Von seinem Nachtquartier aus plante Napoleon den weiteren Zug auf Dresden und schrieb Briefe an seine Verbündeten. So diktierte er einen Brief an Friedrich I., König von Württemberg, in dem er seine Pläne darlegte: „Ich denke morgen in Dresden zu sein oder wenigstens in dem Teil der Stadt, der auf dem diesseitigen Ufer liegt.“
Zur Koordinierung der Einquartierung und Versorgung der französischen Soldaten wurde unverzüglich ein französischer Ortskommandant eingesetzt. Nachdem bekannt geworden war, dass er sich persönlich bereichert hatte, wurde er bald wieder abberufen und durch den geeigneteren Kommandanten Jeanin ersetzt. Auch unter den französischen Soldaten fehlte es bisweilen an der nötigen Disziplin. So „sei ein Marodeur an den Linden bei der Kirche füssiliert worden“, wie Freiherr von Odeleben die standrechtliche Hinrichtung eines Franzosen schilderte.
Ein letztes Mal über die Mulde
Nach nur einer Nacht in Nossen brach Kaiser Napoleon am Morgen des folgenden Tages mit seinem Heer in Richtung der sächsischen Residenzstadt auf und besetzte sofort die Altstädter Seite. In Nossen verblieb eine französische Besatzung.
Allerdings sollte das französische Intermezzo nur von kurzer Dauer sein. Bereits vor der entscheidenden Völkerschlacht bei Leipzig hatten die französischen Soldaten am 10. Oktober um 4 Uhr in der Früh das Muldenstädtchen verlassen, um die Truppen in Dresden zu verstärken. Am Vormittag desselben Tages zogen russische Kosaken am Kammergut Zella vorbei raubend und plündernd in Nossen ein.
Nach der Leipziger Völkerschlacht und der Niederlage Napoleons hatten sich Sieger und Besiegte zunächst auf freies Geleit für die französischen Truppen bis über den Rhein verständigt. Etwa 30.000 Franzosen zogen geschlagen nach Westen. Sie kamen ein letztes Mal durch Nossen, das schließlich wieder im Dornröschenschlaf versank.
Dr. Peter Dänhardt arbeitet als Museologe für das Schloss Nossen und den Klosterpark Altzella und freut sich, dass der Kaiser der Franzosen auch mal in der Provinz Station gemacht hat.