Hinter den Kulissen

"Das Gemälde können Sie haben!"

Über eine Sternstunde der Museumsarbeit

Regina Thiede /

Eine glückliche Museologin hinter ihrer fetten Beute
Neulich wurde Licht im Schloss Colditz. Ein Abendmahlsgemälde bekam eine Beleuchtung als letzten Schritt einer kleinen Odyssee, die 1826 begann und 2021 enden sollte.

Für mich war das Schloss immer leer. Nur voll von Krankenhausgeruch und Geschichten aus vielen Jahrhunderten. Im Oktober 2009 bekam ich den Anruf einer Kollegin aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Sie gab mir den Hinweis, sie hätte im Hauptstaatsarchiv Dresden eine Akte zum Schloss Colditz mit dem Verweis auf ein Gemälde gefunden. Einige Tage später nahm ich Einblick in das Schriftstück von 1842. Dort stand, ein „aus alter Zeit“ stammendes Abendmahlsgemälde hätte noch lange in der Wohnung des Schlossverwalters gehangen und sei dann ab 1826 in der neuen Kapelle der Landeswaisenanstalt zu Bräunsdorf bei Freiberg als Altarbild verwendet worden.

Ohne viel Hoffnung telefonierte ich mich durch das Rathaus der Gemeinde Oberschöna, zu welcher die Kommune Bräunsdorf heute gehört, um in Erfahrung zu bringen, ob das Bild zu besichtigen wäre. Nach längerem Weiterleiten meines Anrufs konnte mir dann eine Angestellte den Namen des Pfarrers aus Langhennersdorf, dem Nachbardorf von Bräunsdorf, mitteilen. Sogleich rief ich bei ihm an und bekam vier Sätze zur Antwort, nach denen ich froh war, dass ein Stuhl hinter mir stand: „Dieses Bild hängt bei mir im Pfarrbüro. Es ist eine Cranachschule. Ich weiss, dass es nicht der Kirchgemeinde gehört. Sie können es haben.“

 

Später stellte sich heraus, das Gemälde war 1997 vom damaligen Pfarrer und dem Kantor aus der Anstaltskapelle entnommen worden, weil das Haus ungenutzt war und die Dorfjugend den Altar mit Orgelpfeifen bewarf. Dem Pfarrer war damals sehr wohl bewusst, dass sich die Kapelle nicht im Eigentum der evangelischen Kirche befand, dass jedoch ihre letzte kostbare Ausstattung verloren ginge, wenn er nicht handele. Und genau dieser Umstand war jetzt interessant: Die Kapelle war immer im Staatsbesitz - zu DDR-Zeiten als so genannter Jugendwerkhof. Aber Staatsbesitz würde bedeuten, dass es keine Übereignung zur Kirche gegeben hätte. Da Schloss Colditz Liegenschaft einer Sächsischen Landesbehörde ist, reifte die Erkenntnis, dass sich hier die einzigartige Gelegenheit der Rücknahme des Gemäldes zu den Beständen des Schlosses Colditz ergeben dürfte. Das Gemälde war durch „Wendewirren“ und diverse glückliche Umstände einfach aus Raum und Zeit gefallen.

Gemeinsam mit dem Pfarrer und dem Kunstdienst der Evangelischen Landeskirche Sachsens wurde ein Übergabeplan erarbeitet und schon im Januar 2010 kehrte das Gemälde nach ungefähr 180 Jahren zu uns zurück. In der Kapelle des Schlosses Colditz hatte es seit der Mitte des 16. Jahrhunderts an der oberen Empore als Teil des Passionszyklus gehangen. Unsere Schlosskapelle war jedoch noch völlig verwahrlost und so musste das Bild für die nächsten Jahre vorerst gesichert in der Kapelle der Burg Mildenstein in Leisnig Station machen. Nach der Restaurierung des Colditzer Schlosskapelle konnte ich es „heimholen“ und 2021 wurde endlich die Beleuchtung dafür fertig. Fiat lux!

 

Regina Thiede arbeitet als Museologin im Schloss Colditz und würde sich gern häufiger über solche kleinen Sensationen freuen.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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