Histories

Wie der Spargel nach Pillnitz kam

Was uns eine 200 Jahre alte Beschwerde über die Vergangenheit verrät

Jonas Klöber /

Ein Bund weißer Spargel. Gemalt 1697.
Die Beschwerde ist auf den 15. Mai 1822 datiert. Der Hofeinkäufer des sächsischen Königs hätte Spargel für die herrschaftliche Tafel kaufen sollen. Doch das hatte er nicht. Das sorgte für Unmut und verschafft uns heute einen spannenden Einblick in die Arbeitswelt der Hofküche im frühen 19. Jahrhundert.

Was ist eigentlich ein Hofeinkäufer?

Der Hofeinkäufer war dafür verantwortlich die Nahrungsmittel zu kaufen, die später in der Hofküche zu Speisen für die königliche Tafel verarbeitet wurden. Beauftragt wurde er vom Küchenmeister, der die Speisen plante. Mit einem Einkaufszettel bewaffnet, begab er sich auf den Markt in Dresden, um alles einzukaufen. Im Mai 1822 unter anderem auch Spargel. Dabei hatte er einen engen Zeitplan. Bekam er eine Einkaufsliste, hatte der die Produkte bis zum Morgen des kommenden Tages abzuliefern.

Mit dem Schiff nach Pillnitz

Wenn der König, wie auch in dieser Zeit, in Pillnitz residierte – ging die Reise der Nahrungsmittel mit dem Schiff weiter. Sie fuhren von Dresden die Elbe hinauf und wurden in Pillnitz entladen. Dort kamen sie in die Schlossküche. Aber nicht ohne zuvor geprüft zu werden. Denn die Qualität musste stimmen! Auch ob die gewünschten Mengen geliefert wurden, kontrollierte man strengstens.

 

Problemfall Spargel

Doch was passierte am 15. Mai? Und warum musste die herrschaftliche Tafel ohne Spargel auskommen? Von der Geschichte gibt es zwei Versionen. Eine vom Arbeitgeber, dem Hofwirtschaftsdirektor von Tümpling und eine vom Arbeitnehmer, dem Hofeinkäufer Hoefer.

Der Hofeinkäufer erklärt, der Spargel sei ausverkauft gewesen. Der Hofwirtschaftsdirektor unterstellt ihm hingegen „Bequemlichkeit oder andere Gründe“, denn Hoefer hätte gleich mehrere Möglichkeiten gehabt den Spargel einzukaufen. Am Tag der Ankunft des Einkaufszettels und vor dem Abtransport der Waren am Tag darauf. Der Hofeinkäufer, schreibt von Tümpling weiter, sei einzig für den Einkauf der Waren angestellt. Er werde deshalb nochmals daran erinnert alle Nahrungsmittel „ohne Entschuldigung einzukaufen und zur gesetzten Zeit anher zu schicken“. Ob nun leere Markstände oder Faulheit, den wahren Grund können wir heute nicht mehr rekonstruieren.

Auf jeden Fall musste die Hofküche an diesem Tag ohne Spargel auskommen, eine kurzfristige Anlieferung wäre aus Zeitgründen nicht möglich gewesen.

 

Ein königliches Gemüse

Warum gerade der Spargel besonders erwähnt wird, bleibt offen. Vermutlich sind nicht alle Dokumente aus dieser Zeit überliefert, sodass es Zufall sein kann, dass gerade der Spargel Eingang in die Akten gefunden hat.

Allerdings ist das Gemüse in dieser Zeit eine sehr exquisite Speise. Schon seit dem 16. Jahrhundert stand er beispielsweise bei den Habsburgern auf dem Speiseplan und auch in den folgenden Jahrhunderten nahm der Spargel einen festen Platz auf den herrschaftlichen Tafeln ein. In Sachsen war es vermutlich ähnlich. Außerdem war der Anbau sehr aufwändig und aufgrund der eingeschränkten Konservierungsmöglichkeiten waren weite Lieferwege nicht möglich. Lange Zeit blieb der Spargel den wohlhabenden Schichten vorbehalten.

... und der Hofeinkäufer?

Zwar wird dem Hofeinkäufer angedroht bei weiteren Verfehlungen solcher Art werde der Hofwirtschaftsdirektor den König davon in Kenntnis setzen. Aber dazu kam es nicht. Es scheint, Hoefer habe sich keine weiteren Verfehlungen zukommen zulassen. Er bleibt bis zu seinem Lebensende Hofeinkäufer. Nach 35 Dienstjahren stirbt er 1825 – im stolzen Alter von 73 Jahren.

 

Jonas Klöber ist wissenschaftlicher Volontär im Bereich Museen. Er muss seine Einkäufe zwar selbst erledigen, ist dafür aber nicht von einem Hofeinkäufer abhängig. 

 

 


Letzte Änderung: 24.01.2020

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