Histories

Sprichwörtlich: „Ochs‘ hier nicht so rum!“

Eine Blogserie zu historischen Sprichwörtern

Jens Gaitzsch /

Ein Leiterwagen mit drei Pferden steht auf einem steilen Weg. Ein Mann hat eine Peitsche in der Hand und treibt die Pferde an.
Mussten Sie sich auch schon einmal „zügeln“, weil jemand „über die Stränge schlug“? Oder mächtig „ins Zeug legen“, damit etwas gelingt? Viele unserer Redewendungen entstammen einer Zeit, als wir Güter noch mit Pferd und Ochs‘ transportiert haben – oder sie selbst schultern mussten. Museologe Jens Gaitzsch geht mit uns auf Spurensuche in die Sammlung von Burg Stolpen.

Die Hucke voll

Der Verkehr von Waren ist so alt wie die Menschheit selbst. Doch statt mit Zug oder LKW musste über Jahrtausende auf dem Landweg alles mit Muskelkraft bewältigt werden. Ein Zug- oder Packtier zu besitzen war da beinahe Luxus – oftmals musste man die Last selbst schultern. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist beispielsweise die geflochtene Kiepe weit verbreitet gewesen, ein hoher Korb mit Riemen. Wer den tragen musste, der bekam schnell die Hucke (den Rücken) voll. Vom modernen Rucksack mit ergonomisch angepasstem Tragegestell konnte man damals nur träumen. 

Der Schiebebock (Schubkarre) war eine große Hilfe, um den Rücken zu entlasten. Als Kastenvariante lässt er sich bereits auf Darstellungen beim Bau der großen gotischen Kathedralen im 13. Jahrhundert finden. Manch Bauer fuhr seine Ernte mit dem Schiebebock ein, bzw. benutzte ihn, um auf dem Wochenmarkt in der nächsten Stadt seine Waren anzubieten. Voller Stolz nennt sich manch Einwohner von Bischofswerda noch heute Schiebocker
 

Unters Joch spannen

Unter den Zugtieren ist der Ochse das ältere – und mitunter auch das stärkere. Er wurde mit einem Joch angeschirrt. Ihn konnte man also unters Joch spannen. Manch Ochse bekam dabei ein Brett vor den Kopf, um den Sichtradius einzuschränken. So blieb das leicht erregbare Tier beherrschbarer. Wenn alles läuft, ziehen Ochsen, bis es nicht mehr geht. Auch da noch, wo ein sensibles Pferd längst aufhören würde! Ochs‘ hier nicht so rum, muss sich noch heute manch Zeitgenosse anhören, der partout nicht aufhören will zu wüten. 

 

Im Gegensatz zum Ochsenkarren war ein von Pferden gezogener Leiterwagen – man nennt ihn so, da seine Seitenteile an Leitern erinnern – eine dem bessergestellten Bauern vorbehaltene Transportmöglichkeit. Pferde waren teuer und die Wagenherstellung erforderte Spezialisten: Der Schmied lieferte die Eisenteile, der Wagenradbauer fertigte die Räder, der Riemer nähte das Pferdegeschirr und fertigte das Kummet. Mit diesem gepolsterten Halsring konnte das Pferd seine gesamte Zugleistung entfalten, weil die Last besser auf seinen Körper verteilt wurde. 
 

An einem Strang ziehen

Nicht wenige Redewendungen beziehen sich auch direkt auf Pferdegeschirr. Wie der Herre so‘s Gescherre sagt ein Sprichwort und meint: Ist der Bauer ein Schlendrian, so ist zumeist auch das Pferdegeschirr ungepflegt. Was natürlich zu Problemen führen kann. Wurde das Material brüchig, konnten im äußersten Fall alle Stränge reißen. Dann blieb die Fuhre liegen.

Legen sich die Pferde ins Zeug oder ziehen, was das Zeug hält so werden starke Kräfte übertragen. Es sei denn, eines der Tiere schlug über die Stränge und hatte den Zugriemen zwischen den Beinen. Das mochte es gar nicht und blieb stehen. Wenn aber alle Pferde an einem Strang zogen, dann ging es gut voran. 

 

Um das Pferd mit den Zügeln zu lenken, hatte es ein Zaumzeug über dem Kopf mit einer Beißstange im Gebiss. So konnte man das Tier an die Kandare nehmen und ihm einen Zaum anlegen. Scheuklappen halfen besonders den schreckhaften Tieren, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Denn das Pferd ist ein Fluchttier: Bei Gefahr läuft es weg. Im schlimmsten Fall gerät es in Panik und geht durch. Sicherlich war auch der Bauer gut beraten, sich beim rauen Ton auf der Landstraße etwas im Zaum zu halten oder zu zügeln.
 

Schmiergeld

Ein Leiterwagen bedurfte eines gewissen Zubehörs. Allem voran: der Wagenheber. Er blieb beim Radwechsel unersetzlich. Und der Vorlegeklotz (Hemmschuh) war besonders im bergigen Gelände wichtig. 
Nicht zu vergessen: die Schmierfettbüchse. Reisende zahlten dem Postkutscher zusätzlich zum Fahrpreis ein Schmiergeld. Nicht um bevorzugt behandelt zu werden, sondern um einen finanziellen Beitrag zum Unterhalt des Wagens zu leisten. Auf jeder Poststation mussten die Naben der Räder neu geschmiert werden. Zumeist kam hierfür minderwertiges Tierfett zum Einsatz. Synthetische Hochleistungsschmierstoffe mit geschlossenen Schmierstoffkreisläufen, wie sie in heutigen Gefährten verbaut werden, waren da noch unbekannt. 
 

Jens Gaitzsch ist Museologe auf der Burg Stolpen und kann Sprichwörter erklären, was das Zeug hält! Noch mehr davon gibt es im ersten und zweiten Teil der Blogserie zu entdecken.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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