Histories

Sprichwörtlich: „Jemanden über die Klinge springen lassen“

Jens Gaitzsch /

Holschnitt mit Strafen aus dem Laienspiegel, 1509.
Wie kann Enthaupten ehrenvoll sein? Woher kommt der Spruch „Kopf und Kragen riskieren“? Und was verbirgt sich hinter dem „Meisterstück“? Museologe Jens Gaitzsch nimmt uns mit auf eine Reise in das Reich der Sprichwörter und die Welt des Scharfrichters.

Die Wahl der Qual

Unser Rechtssystem kennt die Todesstrafe glücklicherweise nicht mehr. Jahrhundertelang war es jedoch üblich, jemanden über die Klinge springen zu lassen. Dem Enthaupten mit dem Schwert kam dabei ein besonderer Stellenwert zu. Denn es galt als die ehrenvollste Form der Todesstrafe, kurz und schmerzlos. Nur wenn man sich als ein geständiger Sünder erwiesen hatte, war es möglich gewesen, die Hinrichtung mit der kürzesten Leidenszeit zu vollziehen. Vor dem Galgen (Hängen) und dem Rad (Rädern) kann man sich wohl hüten, aber nicht vor dem Schwert, hieß es bei unseren Vorfahren. Dem Strafvollzug entkam keiner, aber die Art der Hinrichtung konnte der Delinquent beeinflussen.

Auch wenn man sein irdisches Lebensrecht verwirkt hatte: Als geständiger und aufrichtig bereuender Sünder blieb eine Option auf das Himmelsreich, auf die fröhliche Wiederauferstehung am Tag des Jüngsten Gerichts. Sicherlich werde man zuvor eine Weile im Fegefeuer büßen müssen, doch da war ein Entrinnen noch möglich. Aus der Hölle gab es kein Entkommen mehr. Konnte die Strafjustiz den Übelrtäter den Klauen des Teufels entreißen, so war der Sieg des Guten über das Böse vollkommen. 

Gewalt oder Gnade?

Das Richtschwert der Burg Stolpen, ausgestellt in der Folterkammer, ist ein gutes Beispiel für diesen mittelalterlichen Rechtsgrundsatz. Es trägt neben dem Namen des Scharfrichters und einer Datierung, die in Messingdraht eingelegten Symbole der Hochgerichtsbarkeit: Galgen und Rad. Und es zeigt einen Sinnspruch, der den Rechtsgrundsatz der Zeit unterstreicht: Wenn ich tue das Schwert aufheben, gebe ich dem Sünder das ewige Leben. Die offizielle Tötungshandlung wurde zum Gnadenakt für das ewige Leben. Und das in einer Zeit, in der einer der wichtigsten Gebote hieß: Du sollst nicht töten. Aus dem römischen Recht kommend galt gleichzeitig der juristische Grundsatz: Gewalt darf mit Gewalt bekämpft werden.

Auf einen Schlag

Dem Schwert des Scharfrichters kam ein besonderer Stellenwert zu. Es war gewissermaßen sein wichtigstes Handwerkszeug, sein Attribut. Es war keine Waffe.

Eine erfolgreiche Enthauptung mit einem Schlag musste man als „Meisterstück“ ausdrücklich nachweisen, um als Scharfrichter anerkannt zu werden. Hans Schultz scheint das gelungen zu sein, als er sein Richtschwert in Auftrag gab.

 

Kopf und Kragen riskieren wir heute zumeist nicht mehr. Der Kragen des Hemdes wurde vor der Enthauptung abgeschnitten. Hans Schultz wollte sehen, wo er hinschlägt, um eine saubere handwerkliche Arbeit abzuliefern. Kopflos sein ist auch heute noch nachteilig. Und wenn wir mal wieder jemandem seinen Kopf fordern oder jemanden einen Kopf kürzer machen wollen, sollten wir uns der damit verbundenen Konsequenz bewusst sein.

... und noch mehr spannende Geschichte(n) gibt es im dritten Teil unserer Blogserie.

Als Museologe der Burg Stolpen ist Jens Gaitzsch der Schlüssel zur Sammlung. Er öffnet nicht nur die Türen zu den düsteren Richt- und Folterinstrumenten, sondern auch zu den Sprichwörtern vergangener Zeiten. 


Letzte Änderung: 24.01.2020

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