Histories

Sprichwörtlich: „Die Daumenschrauben anlegen“

Eine Blogserie zu historischen Sprichwörtern

Jens Gaitzsch /

Vitrine mit Richt- und Folterwerkzeugen auf Burg Stolpen
Die Schreie aus den dunklen Kellern und Verließen der Burg Stolpen sind längst verhallt. Doch die Richt- und Folterinstrumente haben sich bis heute erhalten – wie so manches Sprichwort. Wir gehen mit Jens Gaitzsch auf Spurensuche historischer Sprichwörter.

» Die Daumenschrauben anlegen «

Das Sprichwort kennt jeder: Jemandem die Daumenschrauben anlegen. Man ist in Bedrängnis geraten, nun wird es „eng“. Man weiß nicht mehr, wie man sich aus der Klemme retten kann. Bei unseren Vorfahren bekam das Anlegen der Daumenschrauben eine ganz praktische Funktion. Jeder von uns hat sich schon einmal die Finger in einer Türe eingequetscht und kennt die schmerzhaften Folgen.

Die Königin aller Beweise

Das mittelalterliche Strafrecht kannte nur sehr wenige Beweisregeln, denen man eine volle Beweiskraft zugestanden hatte. Neben zwei Zeugen, die oft genug nicht zur Verfügung standen, war das vor allem das Geständnis. Es galt als die „Königin aller Beweise“. Das Geständnis bestätigte das Vorgehen der Strafjustiz und lieferte den Vollbeweis.

Der Angeklagte erwies sich häufig als unzugänglich für das gütige Handeln der Strafjustiz. Dabei war es den Strafverfolgungsbehörden ein Anliegen, den Übeltäter vor den Höllenqualen der Unterwelt zu bewahren. Dazu brauchte man jedoch einen bekennenden und bereuenden Sünder. Nur so konnte er den Klauen Satans entrissen werden.

Geregeltes Quälen

Bevor man zum schmerzhaften Verfahren griff, kam das Zeigen und Erklären der Folterinstrumente, die „erschreckende Androhung“. Das bloße Anlegen der Daumenschrauben mit der gütlichen Frage konnte bereits das gewünschte Ergebnis erzielen. War die „gelinde Tortur“ nicht erfolgreich, folgte das schmerzhafte Verfahren wider den Delinquenten: die „ziemliche Tortur“.

 

Quetschen oder Schnüren waren hier die gängigsten Methoden. Die „scharfe Tortur“ mit Strecken auf einer Streckbank oder Aufziehen konnte zusätzlich mit dem Einflößen von geweihtem Wasser, Zwicken, Peitschen oder Brennen verstärkt werden.

Quetschen auf Teufel komm raus

Die „Daumenschraube“ aus dem Sammlungsbestand der Burg Stolpen ist ein bemerkenswertes Objekt. Denn es gibt bereits durch seine äußere Gestalt zu erkennen, dass es hier um eine Bekämpfung des Bösen geht. Die Inkarnation des Bösen war der Teufel, den man sich gern auch in der Gestalt eines Drachens vorstellte. Denn der speit bekanntlich Feuer, wie man es sich im Fegefeuer oder in der Hölle vorstellte. 

Man sollte genauer gesagt von einer Fingerquetsche sprechen, denn es ging keinesfalls nur um die Daumen. Das Quetschen konnte auf die ganze Hand, Kopf oder Beine ausgedehnt werden. Da kannte der Einfallsreichtum keine Grenzen.

Das Quetschen hatte einen großen Vorteil: Es hinterließ kaum unheilbare Verletzungen. Der Scharfrichter musste gegebenenfalls entstandene Verletzungen heilen, falls sich der Delinquent als unschuldig erwies. Der Gefolterte wiederum hatte „Urfehde“ zu schwören: Er musste per Eid versprechen, sich nicht wegen erlittener Schmerzen zu rächen. War er schuldig, so ist sein Schicksal ohnehin besiegelt gewesen.

... und noch mehr schaurige Geschichte(n) gibt es im zweiten Teil unserer Blogserie.

Jens Gaitzsch ist Museologe auf der Burg Stolpen und begeistert sich für Sprichwörter genauso wie für die Sammlung der Richt- und Folterwerkzeuge. Anwendung findet zum Glück nur Ersteres.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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