Ein einzigartiges Gartendenkmal
Die Pillnitzer Fliederbäume beeindrucken durch ihr Alter von wahrscheinlich fast 130 Jahren, ihre eindrucksvoll gedrehten Stämme und den schlichten Fakt, dass ein ganzer Gartenbereich, der Innenhof des Neuen Palais, mit ihnen bepflanzt ist.
Das Besondere ist, dass sie aus zwei verschiedenen Pflanzen bestehen. Wurzel und Stamm bilden jeweils im Alter unterschiedlich stark drehende Sorten des gewöhnlichen Flieders (Syringa vulgaris). Die kugelförmige Krone besteht dagegen aus dem chinesischen Flieder (Syringa chinensis) oder einer Sorte von diesem. Auffällig ist auch die Wuchsform. Eigentlich wächst Flieder strauchartig oder mehrstämmig. Hier sehen wir hohe Stämme, die bei den älteren Bäumen sogar gedreht sind.
Ein Baumschulgärtner würde die Bäume wie folgt beschreiben: Es handelt sich um Kopfveredlungen (in 1,8 m oder 2,5 m Höhe) von Syringa chinensis (bläulichere Blüte) oder Syringa chinensis ´Saugeana´ (rötlichere Blüte) auf wurzelechten, mit den Jahren wuchsbedingt drehenden Stämmen von Syringa vulgaris-Sorten.
Die Nachzucht der Fliederbäume erfolgte in vier Schritten. Nach einer Bestandsaufnahme wurden Stecklinge entnommen, bewurzelt und danach veredelt.
1. Bestandsaufnahme im Mai 2006
Bei der Nachzucht der Fliederbäume wollte man aus gartendenkmalpflegerischen Gründen möglichst standortgenau arbeiten. Um die Jungbäume später eindeutig einem der alten Bäume zuordnen zu können, wurden alle Altbäume nummeriert und kartiert, deren Stammhöhe gemessen und die Blütenfarbe (bläulich oder rötlich) bestimmt.
2. Stecklingsvermehrung im Juni 2006
Für die Vermehrung wurden extra lange Stecklinge verwendet. Diese Stecklinge entnahm man als Wurzelschosser oder als Stammaustriebe. Vor dem Schnitt musste jeder Steckling genau mit der Baumnummer, der späteren Stammhöhe und Blütenfarbe gekennzeichnet werden.
Unmittelbar nach dem Schnitt wurden die Langstecklinge in mit Spezialsubstrat gefüllte Töpfe abgesteckt. Diese kamen dann in ein Foliengewächshaus mit einer Hochdrucksprühnebelanlage. Erst nach sechs Wochen setzte die Bewurzelung ein.
3. Anzucht der bewurzelten Stecklinge zu veredelbaren Stämmen ab 2007
Ziel war es möglichst gerade Stämme anzuziehen. Dies dauerte drei bis fünf Jahre, je nachdem, ob der jeweilige Jungbaum später eine Krone in 180 cm oder in 250 cm aufweisen sollte. Zuerst wurden die bewurzelten Stecklinge auf nur einen Trieb geschnitten. Danach musste man diesen immer wieder an einem Stab gerade anbinden. Alle sich neu bildenden Seitentriebe wurden auf 20 cm eingekürzt.
Jedes Jahr erhielten die Pflanzen frisches Substrat und einen größeren Topf (Container).
4. Veredlung und Herstellung einer mehrjährigen Krone ab 2011
Waren die Stämme hoch genug, so wurden sie in derselben Blütenfarbe veredelt, in der auch die entsprechenden Altbäume jährlich blühen. Dazu wurde jeweils eine Knospe vom chinesischen Flieder – später die Krone – in den Trieb des gewöhnlichen Flieders – Stamm und Wurzel – eingesetzt und fest mit diesem verbunden.
Um nun noch eine gleichmäßig verzweigte Baumkrone zu formen, mussten die aus der Veredlungsstelle wachsenden Triebe mindestens 2-mal pro Jahr eingekürzt werden. Zudem war es zwingend notwendig, alle Stammaustriebe ab der Veredlungsstelle bis 20 cm darunter so früh wie möglich zu entfernen. Wie bei der Anzucht zum veredelbaren Stamm so dauerte auch die Herstellung der Krone drei bis fünf Jahre.
Harald Buner ist als Referent für Baumschulen im Fachbereich Gartenbau des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) tätig. Auf seinem Weg zur Arbeit schaut er fast täglich nach „seinen“ Fliederstämmen und betreut auch deren weitere Entwicklung.