Sanft und beruhigend plätschert ein nicht enden wollender Fluss frischen Wassers in die steinernen Becken im oberen Schlosshof. Das war nicht immer so. Was heute durch den Anschluss an das städtische Wassernetz als selbstverständlich erscheint, war noch vor 150 Jahren längst nicht so einfach zu gewährleisten. Das nahezu überall verfügbare öffentliche Wassernetz mit seinen modernen Leitungen gab es noch nicht. Doch irgendwie musste Wasser ins Schloss gelangen und das in Mengen, die kaum über lange Strecken mit Eimern transportiert werden konnte.
Brunnen? Fehlanzeige!
Einen Brunnen oder eine Zisterne, wie man vermuten würde, gibt es auf Schloss Rochlitz nicht. Kaum zu glauben, denn die Wasserversorgung war überlebenswichtig, vor allem wenn die Burg belagert wurde. Im Mittelalter begnügte man sich noch mit dem Sickerwasser der Mulde, welches von der südlichen Burgmauer mit Eimern nach oben gezogen und in Fässern gesammelt wurde. Zweifellos eine Notlösung, denn besonders gut schmeckte das Muldenwasser mit Sicherheit nicht.
Etwas besser wurde es im 16. Jahrhundert, als ein Leitungssystem frisches Quellwasser vom wenige Kilometer entfernten Rochlitzer Berg bis in den Schlosshof beförderte. Diese sogenannte Röhrfahrt bestand aus mehrere Meter langen ausgehölten Baumstämmen, die Stück für Stück durch eiserne Verbindungsmuffen zusammengefügt wurden. Die Röhren verliefen meistenteils unterirdisch verlegt in einer Tiefe von knapp einem Meter. In regelmäßigen Abständen gab es ein kleines Röhrhäuschen zur Funktionskontrolle oder auch um Abzweigungen zu gewährleisten. Das gesamte System brauchte ein Gefälle, um zu funktionieren. Im Grunde eine sehr gute Lösung. Doch einen Nachteil gab es: Im Krieg waren die Röhren gut durch Feinde auffindbar und schnell unterbrochen, sodass kein frisches Wasser mehr im Schloss ankam. Um trotzdem ausreichend versorgt zu sein, wurden Fässer mit gesammeltem Wasser bereitgehalten.
Immer Ärger mit den Röhren
Doch auch ohne Not waren ständig irgendwelche Wartungsarbeiten am Röhrensystem zu erledigen. In strengen Wintern neigte es zum Einfrieren und vor allem an den Verbindungsstellen kam es oft zu Undichtigkeiten. Zweifellos ein aufwendiges System, für deren Funktion ein angestellter Röhrmeister mit einer Hand voll Gesellen verantwortlich waren. Doch der Aufwand lohnte sich. Frisches Quellwasser schmeckt deutlich besser als abgestandenes Brunnenwasser.
Eine kleine Notiz zum Abschluss: Einer dieser Röhrmeister muss sich irgendwann etwas zu Schulden kommen lassen haben und saß wohl für längere Zeit im Verlies des Südturmes – der Lichten Jupe – ein. Dadurch wurde der Turm immer mal wieder auch in offiziellen Dokumenten als Röhrmeister bezeichnet. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Rochlitzer Türme zeitweise nach besonders bemerkenswerten Insassen ihrer Verliese benannt wurden.
Der Autor Frank Schmidt, Museologe auf Schloss Rochlitz, freut sich jedesmal von Neuem über den plätschernden "Röhrbrunnen" im Schloss und ist sehr erfreut, dass hier kein kostbares Trinkwasser verschwendet wird.