Hinter den Kulissen

Wer arbeitet da?

Ein neues Vermittlungsformat für die Berufsorientierung entsteht

Antje Borrmann / Stefanie Schuster /

Netflix, Computer und Co., die Konkurrenz ist groß. Wie kann man da mithalten? Neue Zugänge schaffen: Wie wir jungen Menschen unsere Schlösser, Burgen und Gärten anhand der Berufe von gestern und heute vermitteln.

Soziale Medien, Computerspiele, gemeinsam Abhängen – das sind nur einige Beschäftigungen von jungen Menschen, mit denen wir um Aufmerksamkeit für unsere Objekte konkurrieren. Klar ist, dass wir nicht voraussetzen können, dass sich Jugendliche per se für die Geschichte unserer Schlösser, Burgen und Gärten interessieren. Schon zu unserer Schulzeit war der Geschichtsunterricht nicht gerade das beliebteste Fach. Daran dürfte sich bis heute kaum etwas geändert haben. Und doch wollen wir unsere Inhalte unter die jungen Menschen bringen. Die Frage ist nur, wie.

Angeregt durch unseren Bildungspartner Teach First Deutschland (TFD), der sich die Berufsorientierung zu einem Schwerpunkt gemacht hat, möchten wir einen neuen Zugang schaffen. Nicht die Frage, welche Herrscher wann und wo gewirkt haben oder in welchen Etappen die Burgen, Schlösser und Gärten erbaut worden sind – übrigens Sachverhalte, die man auch bequem auf dem Sofa nachlesen oder ansehen kann – interessiert uns, sondern wer dort eigentlich arbeitet – früher wie heute. 

Damit stehen wir mittendrin in einem gesellschaftsrelevanten Feld. Denn der sich ausbreitende Fachkräftemangel geht auch an unserem Kulturbetrieb nicht spurlos vorüber. Wir sind aufgefordert, uns bei jungen Menschen interessant zu machen und für unsere Arbeit zu werben, wollen wir perspektivisch gute Fachkräfte binden. Die kulturelle Bildung kann dazu beitragen und das in einer sehr niedrigschwelligen Weise.

Die berufliche Vielfalt lädt zu verschiedenen Vermittlungswegen ein

Gemeinsam mit den Fellows von TFD haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir das Thema Berufsorientierung umsetzen. Eine Anforderung an uns war, nicht nur Theorie, sondern vor allem praktisches Wissen optimalerweise in Form von praktischen Tätigkeiten zu vermitteln. Das erleichterte uns die Auswahl der heutigen Arbeitsbereiche, die dafür prädestiniert und vor allem für Kinder und Jugendliche interessant sind, nämlich Garten, Haus-/Medientechnik, Hausmeister oder Besucherservice. Die berufliche Vielfalt hat uns außerdem veranlasst, verschiedene Vermittlungswege auszuprobieren. 

Im Schloss & Park Pillnitz stellten wir erst die historischen Berufe – erklärt durch den „Schlossverwalter Otto“ – vor und ließen die Kinder in kleinen Gruppen heutige Berufe kennenlernen. Mit Interviewfragen gewappnet, konnten sie zu den Gärtnern, dem Besucherservice, der Haustechnik und zum heutigen Schlossverwalter gehen. An den einzelnen Stationen stellten sie Fragen und wurden aktiv.

Im Großen Garten Dresden lag der Schwerpunkt auf den heutigen Berufen. Allein im Gartenbereich gibt es so viele verschiedene Fachleute – Zierpflanzengärtner, Staudengärtner, Baumpfleger, um nur einige zu nennen –, dass wir uns fast ausschließlich damit beschäftigen können ohne zu langweilen oder uns zu wiederholen. Kinder konnten bei der Wegepflege unterstützen, haben im Staudengarten Unkraut gejätet oder Gartentechnik ausprobiert. In Interviews haben die Kinder mehr über den Tagesablauf der Gärtner erfahren, welchen Ausbildungsweg diese genommen haben, wie lange sie für den Kulturbetrieb arbeiten oder was ihnen an ihrer Arbeit besonders gefällt. Mit diesen Informationen konnten die jungen Leute in der Schule weiterarbeiten.

Verstetigung und Nachhaltigkeit

Nachdem wir nun verschiedene Umsetzungswege ausprobiert und wichtige Erfahrungen gesammelt haben, gehen wir dazu über, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen und den Fellows an dem neuen Vermittlungsformat zu feilen, um daraus ein festes Bildungsangebot entstehen zu lassen.
Neben der Berufsvorstellung ist das wesentliche Vermittlungsziel, den jungen Menschen zu verdeutlichen, wie viel Arbeit und Fachexpertise in der Pflege von denkmalgeschützten Anlagen steckt und warum wir diese Arbeit leisten. Wir hoffen damit beitragen zu können, dass unsere Anlagen mehr wertgeschätzt werden und achtsam mit ihnen umgegangen wird, vor allem um zunehmenden Verunreinigungen oder Vandalismusvorfällen ohne erhobenen Zeigefinger oder Verboten begegnen zu können. 

Einen großen Teilerfolg haben wir schon errungen: Im Rahmen einer Projektwoche der Kurfürst-Moritz-Schule Boxdorf haben sich OberschülerInnen mit den damaligen und heutigen Berufen in der Festung Dresden auseinandergesetzt.

 

Das Projekt kam bei allen so gut an, dass sich die Schule kurzerhand entschloss, sich beim Landesprogramm "PEGASUS – Schulen adoptieren Denkmale" zu bewerben – mit Erfolg. Damit kann das Projekt Berufe in der Festung nicht nur fortgesetzt, sondern ausgebaut und vertieft werden. 

Die Berufsorientierung ist ein Glücksfall

Die Berufsorientierung ist für uns wahrlich ein Glücksfall. Für uns selbst hat die Auseinandersetzung mit den Berufen einen völlig neuen Blick auf unsere Schlösser, Burgen und Gärten eröffnet. Zugleich schlagen wir mit diesem Zugang mehrere Fliegen mit einer Klappe und werden unseren Bildungsleitlinien mehr als gerecht: Wir gehen in die Lebenswelt junger Menschen hinein, wenn wir diese bei ihrer Berufsorientierung begleiten und erhalten dadurch Relevanz. Wir vermitteln eine dynamische Entwicklungsgeschichte, wenn wir über Berufe sprechen, die es heute nicht mehr oder erst seit heute gibt. Nebenher können wir über unsere Objekte berichten, über deren Geschichte, Eigentümer und kulturgeschichtliche Bedeutung, aber auch über künftige Probleme und Herausforderungen.

Zugleich können wir die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen hervorheben und wertschätzen, die oftmals im Verborgenen bleibt, aber für den Kulturbetrieb essentiell ist. Und wir vermitteln (hoffentlich), dass die Arbeit in Museen doch nicht so angestaubt und langweilig ist, wie ihr Image vermuten lässt.

Antje Borrmann ist immer noch darüber fasziniert, wie enthusiastisch junge Menschen im Großen Garten Unkraut gejätet haben. Für sie selbst ist diese Gartenarbeit eher verhasst.

Stefanie Schuster liebt Gartenarbeit und freut sich über jeden, den sie begeistern kann.
 


Letzte Änderung: 24.01.2020

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