Kunst & Gut

Marmor in Perfektion

Verjüngungskur für Tod und Schönheit

Stefan Dürre / Sabine Wilde /

Eine Skulptur aus Mamor. Links Chronos, ein alter Mann mit Fügel. Er hält eine junge Frau in der Hand
Fast 300 Jahre trotzte die Skulptur "Die Zeit raubt die Schönheit" Wind, Wetter und Kriegen. Jetzt gibt es zwei Marmorskulpturen im Großen Garten. Das Original und eine Kopie. Welche Geschichte steckt hinter der eindrucksvollen Figur?

Blick in die Vergangenheit

Zu Beginn ein Blick zurück: In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts standen im Großen Garten mehr als 200 Marmorskulpturen und etliche weitere aus Sandstein. Die Figurenausstattung war eine der prächtigsten nördlich der Alpen und konkurrierte sogar mit dem großen Vorbild Versailles. Ein Großteil dieser Werke ist bis heute erhalten und befindet sich im Besitz des Freistaates, doch meist stark beschädigt. Im Großen Garten selbst stehen nur noch vier Originale aus Marmor.

Ein besonderes Schmuckstück war von jeher die „Die Zeit raubt die Schönheit“. Sie kann als ein Hauptwerk der italienischen Barockskulptur gelten und ist wohl die berühmteste Arbeit des sienesischen Bildhauers Pietro Maria Balestra (um 1655–1729). Hier wird alles vorgeführt, gefeiert und ausgereizt, was Barockbildhauerei wollte und konnte: allansichtige Komposition, theatralische Bewegung und Vermittlung von Ausdrucksstärke. Die Skulptur ist ein statisches Meisterwerk: sie schwingt nach allen Seiten aus und steht dabei auf einer sehr kleinen flachen Plinthe. Die malerische Darstellung des Werks wird durch die detaillierte Bearbeitung des Steins erreicht, in großen Bereichen bis an die Grenzen des Machbaren.

Zu allen Zeiten war man sich dieser besonderen Qualität des Werkes bewusst und wies ihm stets einen zentralen Aufstellungsplatz zu, zunächst in Rom, später im Garten des Japanischen Palais oder schließlich ab 1730 im Großen Garten.

 

Die Skulpturengruppe verkörpert ein typisch barockes Thema, das memento mori (deutsch: Gedenke des Todes), das an die Vergänglichkeit aller Dinge gemahnt, hier verkörpert durch Chronos, den alten Gott der Zeit mit der Sense, und eine durch ihn geraubte junge Frau.

Krieg und Klima

Nach der Verwüstung des Großen Gartens im Jahr 1760 war die Gruppe eine der wenigen Skulpturen, die mehr oder weniger unversehrt geblieben waren. 1832 restauriert, steht sie seitdem an der bekannten zentralen Stelle im Garten und gewinnt angesichts der weiterhin schwindenden Anzahl barocker Originale eine zusätzliche Bedeutung im Ensemble. Immer wieder war sie Gegenstand von Erhaltungsversuchen mit unterschiedlichstem Ansatz.

Besonders im 20. Jahrhundert jedoch erlitt die Gruppe durch Krieg und Umwelteinflüsse zum großen Teil irreparable Schäden. Dazu brachen im Jahr 2013 der linke Flügel und der rechte Fuß des Chronos ab. Und schon länger beeinträchtigte ein weit verzweigtes Risssystem die Standsicherheit der Gruppe. Sie wurde zunächst mit einem Stahlkorsett notgesichert und eingehaust, als Auftakt zu einer umfassenden Sicherung auch aller anderen im Garten verbliebenen Skulpturen und deren turnusmäßiger Pflege.

Konservatorische Maßnahmen

Die seit 2013 vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, Niederlassung Dresden I, groß angelegte Sicherung und jährliche Pflege der Skulpturen im Großen Garten beinhaltet einerseits die Erhaltung der Originale und andererseits auch ihren Austausch am Standort gegen Abformungen in Kunstmarmor oder Kopien in Marmor. So wie im Fall der Skulptur „Die Zeit raubt die Schönheit“.

 

Die gesicherten und restaurierten Originale werden künftig in einem konservatorisch sicheren Lapidarium (Schaudepot) aufgestellt.

Kopie aus Carrara-Marmor

Zu Beginn, noch 2013, reinigte man „Die Zeit raubt die Schönheit“ und konservierte sie mithilfe von Wachs. Abgebrochene Teile wurden wieder angefügt. Anschließend wurde die Gruppe sehr aufwändig abgeformt und es entstand ein Gipsabguss. Fehlende Teilbereiche konnten mittels 18 historischer Fotos bildhauerisch in Gips ergänzt werden. Dieses Werk diente als Modell für eine steinbildhauerische Übertragung in Marmor.

Dazu wurde im Abbaugebiet Carrara in Norditalien ein passender Stein ausgewählt. Da das Original einst aus der Steinvarietät Statuario geschaffen worden war, diese aber für die Gebiete nördlich der Alpen konservatorisch ungünstig ist, fiel die Entscheidung zugunsten des optisch sehr ähnlichen und fast weißen Typs Ordinario.

 

Die steinbildhauerische Übertragung des Modells in den Marmor erfolgte handwerklich traditionell und exakt eingemessen. Da am Original Oberflächencharakter und Stofflichkeit von Details nur noch lückenhaft verblieben waren, mussten diese an der Kopie anhand von Vergleichsobjekten interpretierend gestaltet werden. Eine aus Spezialisten gebildete Projektgruppe begleitet alle Teilprozesse.

 

Für die Sicherung und Konservierung des gesamten Skulpturenschmucks im Großen Garten, zunächst auf 10 Jahre festgelegt, stellt der Freistaat Sachsen über 3,7 Mio. Euro zur Verfügung. Die Maßnahme wird auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes über Steuermittel finanziert.

Der Bildhauer, Kunsthistoriker und Autor Dr. Stefan Dürre beschäftigte sich ausführlich mit der Skulptur und erstellte das Modell für die Herstellung der Kopie.

Sabine Wilde, Kunsthistorikerin hofft, dass der „Vergänglichkeit“ des Mamors nun hoffentlich für weitere 300 Jahre Einhalt geboten ist.


Letzte Änderung: 24.01.2020

Weitere Artikel