Pillnitz gilt hinlänglich als Spieleschloss, als Ort der Lustbarkeiten. Hier wurde gekegelt, gewürfelt oder Ball gespielt. Die höfische Gesellschaft im Augusteischen Zeitalter konnte sich hier den teils wohl etwas langweiligen Alltag vertreiben. Zu diesen Spielen gehörte es auch sich zu verkleiden, um in andere Rollen zu schlüpfen – mal nicht der viel beschäftigte König und Kurfürst zu sein, sondern vielleicht ein italienischer Edelmann oder, noch besser, ein französischer Lebemann.
In verschiedenen Publikationen sind diese Spiele und Kostümfeste aufgezählt und beschrieben. Aber wer spielte da eigentlich? – Es waren die Erwachsenen, der König und sein Hofstaat, seine Minister, Hofangestellten und Vertrauten, seine Mätressen und deren Hofdamen, nicht zuletzt seine Gäste.
Beim Spielen ging es nicht nur darum zu gewinnen. Während der Spiele wurde geschwatzt und diskutiert, verhandelt und geflirtet.
Freies Spielen für Kinder?
Denken wir heute an spielende Kinder so vielleicht an rennende, tobende und kletternde Jungen und Mädchen in bequemen Sachen. Auch an Spielplätze mit Wippen, Schaukeln und vielseitigen Sandlandschaften zum ausgiebigen Buddeln und an Lego-, Playmobil- und andere Traumwelten in den Kinderzimmern.
In der höfischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts war wenig Platz für individuelle kindliche Entwicklung und für jugendliche Spleens. Man hatte sich seiner zukünftigen Rolle am Hof unterzuordnen.
Königliche Rabeneltern?
Für die Kinder war bei diesen verspielten, lustvollen Aktivitäten kein oder zumindest nur wenig Platz. Nur selten verbrachte man Zeit gemeinsam im familiären Kreis. Die Söhne von König August III. sahen ihren Vater lediglich sonntags kurz vor dem Gottesdienst. Bei ihrer Mutter Maria Josepha waren sie gelegentlich bei gesellschaftlichen Anlässen.
Kann man da schon von Rabeneltern sprechen? Wo war der königliche Nachwuchs, als sich die Großen beim Spielen in Pillnitz die Zeit vertrieben oder beim Ordensfest des Weißen Adlers in Großsedlitz? Für die Kinder August III. ist das recht gut aufgearbeitet.
Die Kleinkindphase (Infantia), bis zum sechsten oder siebenten Lebensjahr, fand fast ohne Kontakt zu den Eltern in der sogenannten Kinderstube statt. Zu Beginn stillten sorgsam ausgesuchte Ammen die Säuglinge. Später wurden diese durch Erzieherinnen abgelöst. Ein Beichtvater und ein Instructor unterrichteten die Kinder, vor allem in Fremdsprachen und musischen Fächern. Mit den Kammerfrauen und Kammerdienern, den Wäscherinnen, den Stubenheizern und dem Türhüter waren fast 40 Personen in der Kinderstube beschäftigt.
Wie die Großen
Mit dem Eintritt in die zweite Lebens- und Erziehungsphase (Pueritia), die bis zum 14. Lebensjahr andauerte, legten die Kinder ihre typischen langen Kinderkleider, die von Mädchen und Jungen getragen wurden, ab. Von nun an wurden sie wie die Großen gekleidet. Es folgte eine Trennung nach Geschlechtern. Systematisch wurden die jungen Prinzen und Prinzessinnen auf die jeweilige Rolle am Hof vorbereitet. Sie erhielten eigene Apartments im Taschenbergpalais und im Residenzschloss und eine eigene Hofhaltung, die sich mit zunehmenden Alter vergrößerte. Zunehmend nahmen sie an höfisch repräsentativen Veranstaltungen teil.
Trafen bei repräsentativen Anlässen die einzelnen Familienmitglieder aufeinander, so hatten die Kinder und Jugendlichen ebenso typische Aufgaben. Sie nahmen als kleine Erwachsene nicht nur an den festlichen Tafeln und Banketten teil, sondern auch an militärischen Paraden und sportlichen Wettkämpfen.
Die ältesten Söhne erhielten eine umfangreiche allgemeinbildende Ausbildung, die die Jugendlichen auf eine spätere regierende Tätigkeit vorbereiten sollte. Die nachgeborenen Söhne sollten eine militärische Laufbahn einschlagen. Hierzu wurden sie u.a. in Latein, Mathematik, Geometrie, Militärtechnik und Kriegstaktik unterrichtet. Zur Ausbildung gehörten auch sportliche Aktivitäten wie Fechten, Reiten, Tanzen und verschiedene Ballspiele.

Eintönige Jugend
In der dritten Lebens- und Erziehungsphase ab dem 15. Lebensjahr (Adolescentia) wurde es für die heranwachsenden Erbprinzen spannend. Sie wurden in die Regierungsgeschäfte einbezogen, speisten an der königlichen Tafel und nahmen an Jagdausflügen und anderen gesellschaftlichen Ereignissen teil. Die Ausbildung wurde mit der „Grande Tour“, einer mehrmonatigen Reise zu bedeutenden europäischen Orten, abgeschlossen.
Die jüngeren Prinzen, bei denen feststand, dass sie keine Regierungsgeschäfte übernehmen würden, verlebten hingegen scheinbar eine eintönigere Jugend mit weniger Kontakten zur höfischen Gesellschaft. Neben den vereinzelten gesellschaftlichen Treffen waren die wichtigsten Partner für Gespräche und Austausch die Geschwister untereinander. So verbrachten die jüngeren Geschwister viel Zeit im Taschenbergpalais, wo der Thronfolger Friedrich Christian mit seiner Frau Maria Antonia Walpurgis von Bayern residierten und das gesellschaftliche Leben prägten.
Als Kulturpädagogin in Schloss & Park Pillnitz und dreifache Mutter kennt sich Stefanie Schuster mit kindlichen Wünschen und Bedürfnissen sehr gut aus.