Gegen die Etikette!
Amalie komponiert, und Amalie dichtet. Bei Hofe gehört es allerdings nicht zum guten Ton, dass Theaterstücke eines Mitglieds der königlichen Familie öffentlich aufgeführt werden. Es verstößt sogar gegen die Etikette! Und so werden die Opern und Schauspiele der Prinzessin nur im privaten Kreis der königlichen Familie gezeigt. Berühmt wird sie deshalb erst durch ihre gedruckten, in zahlreiche Sprachen übersetzten Schauspiele. Diese freilich erscheinen nicht als die Werke der Prinzessin Amalie, sondern unter ihrem Pseudonym „Amalie Heiter“.
Der gute Ton
Amalie kommt im Jahr 1794 in Dresden zur Welt. Die Prinzessin ist das älteste Kind des Prinzenpaares Max von Sachsen und Caroline von Parma. Damit gehört sie zur königlichen Familie. Den Ton bei Hofe gibt der König an, ihr Onkel Friedrich August. Zahlreiche Regeln und die Hofetikette bestimmen den Alltag der kleinen Wettinerin. Die begabte Prinzessin erlernt das Klavier- und Violinenspiel und wird von dem Komponisten Franz Anton Schubert in die Musiktheorie eingeführt. Kompositionsunterricht erhält sie von Hofkapellmeister Carl Maria von Weber. Der damals bereits erfolgreiche Musiker rechnet „die bei der liebenswürdigen und hochbegabten Dame verbrachten Stunden unter die angenehmsten und geistig angeregtesten jener Zeit.“
Die Prinzessin reist gern – nach Italien, Österreich, Frankreich und Spanien. In ihren Tagebüchern dokumentiert sie diese Reisen ausführlich und schildert lebendig ihre Eindrücke in den fremden Ländern.
Warum Weesenstein?
Der Onkel Amalies, König Anton, kauft Schloss Weesenstein im Jahr 1830. Sie begleitet ihn oft auf seinen Ausflügen hierher ins Müglitztal. Am 10. August 1831 wird hier anlässlich ihres 37. Geburtstages ein Souper, ein festliches Abendessen, gegeben. Später lebt Amalie als unverheiratete Frau häufig bei ihrem Bruder Johann und dessen Familie und wohnt auch mit ihnen im Schloss Weesenstein. Noch heute kann man die original eingerichteten Wohnräume mit ihren kostbaren Tapeten und wertvollem Mobiliar besichtigen.
Zu Unrecht vergessen
Amalie bleibt unverheiratet und widmet sich ganz der Kunst. Als Schülerin Carl Maria von Webers beherrscht sie ihr Handwerk perfekt und schreibt zahlreiche Opern, Kirchenmusik, Kantaten und Lustspiele. Trotz ihres großen Erfolges als Schriftstellerin lebt die Schwester König Johanns bescheiden. Die Einkünfte ihrer Stücke spendet sie für wohltätige Zwecke. Heute kennt kaum jemand Amalie und ihre Lebensleistung. Dabei lohnt ihre doppelte Wiederentdeckung: als selbstbestimmte Frau und als Künstlerin.
Dieses Gemälde entstand während Amalies Spanienreise zu ihrer Schwester, Königin Maria Josepha. Vicente López Portaña malte es während ihres Aufenthaltes in Madrid. Der Spanier gilt als einer der besten Porträtmaler seiner Zeit. Amalie konnte mit den Handschuhen nicht Klavierspielen. Doch wiesen sie auf ihren hochadeligen Stand hin.
Anlässlich ihres 150. Todestages würdigt die Weesensteiner Ausstellung erstmals die Komponistin, Dichterin und Prinzessin Amalie von Sachsen und ihr Werk. Dafür haben unter anderem Schauspieler des Staatsschauspiels Dresden mehrere Szenen aus ihrem Theaterstück „Lüge und Wahrheit“ eingesprochen. Und sogar Musik von Amalie ist zu hören: Auszüge aus ihrer Oper „La casa disabitata“ („Das unbewohnte Haus“)!
Was gibt es noch zu sehen?
Den Ausstellungsbesuch ergänzt eine Reise durch das gesamte Schlossmuseum – vom Keller bis zum Dachboden, vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Multimedial präsentiert sich das neue Thema „Bombensicher! Kunstversteck Schloss Weesenstein 1945“ in der Dauerausstellung. Der liebevoll frühlingshaft bepflanzte Schlosspark lädt im Anschluss zu einem Spaziergang ein. Es gibt also viele Gründe, Prinzessin Amalie und ihr Refugium Weesenstein zu entdecken.
Dr. Birgit Finger ist Museologin auf Schloss Weesenstein und Kuratorin der Sonderausstellung »Der gute Ton − Amalie von Sachsen. Prinzessin, Komponistin, Dichterin«.