Histories

Kaffee auf den Kasematten

Jonas Klöber /

In der Mitte steht das Café Reale, vor dem Gebäude laufen Menschen.
Die Festung Dresden: dicke Mauern und große Geschütze, die die Stadt verteidigen sollen. Wie passt das zu Spaziergängen, Champagner und Eiscreme? Eigentlich ganz gut, zumindest seit dem 19. Jahrhundert.

Denn in dieser Zeit verlor die Festung allmählich ihre militärische Bedeutung. 1814 wurde die nach ihrem ehemaligen Besitzer dem Grafen Heinrich von Brühl benannte „Brühlsche Terrasse“ und frühere Verteidigungsanlage öffentlich zugänglich. Nach den Soldaten eroberten nun Einheimische und Gäste Dresdens die Anlage.

Die Lage mit dem Blick in das Elbtal lockten die Menschen und die Terrasse wurde zum wichtigen Ausflugsziel. Immer wieder taucht die Anlage auch in Reiseberichten und Beschreibungen auf. So zum Beispiel bei Hans Christian Andersen, der bei seinem Besuch in Dresden 1831 über die Brühlsche Terrasse spazierte und über die vielen Dinge berichtete, die es von dort aus zu sehen gab.

Mit der wachsenden Beliebtheit waren die Eröffnungen zweier Lokale verbunden, die für das leibliche Wohl der Spazierenden sorgten. Das Belvedere und das Café Baldini, welches später als Café Reale bekannt wurde.

 

Restaurant mit Spitzenküche

Das Belvedere hatte eine Geschichte, die weit vor die Öffnung der Brühlschen Terrasse für die Öffentlichkeit zurückreichte. Bereits 1590 errichtet, diente das Gebäude als Ort für Feierlichkeiten des Adels, aber auch als Forschungslabor für die Experimente zur Herstellung von europäischem Porzellan.

Nach zweifacher Zerstörung und Wiederaufbau des Belvedere reiften Pläne an gleicher Stelle ein Lokal für die gastronomische Versorgung zu bauen. Und so entstand kurz nach Freigabe des Areals für die Öffentlichkeit zunächst ein als Zwischenlösung fungierendes Gebäude aus Holz. Danach errichte man das dritte Belvedere, das die Gäste der Brühlschen Terrasse zum verweilen einlud. Das Haus wurde schnell zum beliebten Treffpunkt. Prominente Gesichter verkehrten im Belvedere, zur Unterhaltung wurde Musik gespielt.

Keine dreißig Jahre nach der Eröffnung waren die Räumlichkeiten des Lokals zu klein geworden. Denn Dresden wurde zu einem immer bedeutenderen Reiseziel, unter anderem aufgrund der Eisenbahn. Und so entstand 1842 ein neuer Bau, der mit einer edlen Ausstattung, aber auch mit einer hervorragenden Küche glänzen konnte. Das Restaurant entwickelte sich zu einer der ersten kulinarischen Adressen Dresdens.

 

Das zeigt sich auch an überlieferten Menükarten des Restaurants. Ein besonders elegantes Exemplar informiert über die Speisen bei der Hochzeit der Familien Friesen und Hohenthal am 29. September 1884. Auf der Menükarte finden sich Speisen wie Steinbutt mit Sauce Béarnaise, Pastete mit Trüffeln oder Hummer. Dazu Getränke wie Champagner oder exquisiter Bordeauxwein.

Eiscafé mit Ambitionen

Unweit des Belvedere entstand ein weiteres Lokal, das Café Baldini. Benannt nach August Baldini, der die Räumlichkeiten 1830 pachtete. Eigentlich durfte Baldini nur Konditoreiwaren und Eis ausschenken, denn es sollte keine Konkurrenz zwischen den Lokalen auf der Brühlschen Terrasse entstehen. Doch Baldini setzte sich über das Verbot hinweg und schenkte zusätzlich auch Kaffee und andere Gerichte aus. Folgen schien diese Sortimentserweiterung für Baldini nicht zu haben, er konnte sein Café weiter betreiben. Es wurde zum wichtigen Anlaufpunkt für Einheimische und Gäste, die neben Speisen und Getränken auch mit Musik versorgt wurden.

 

Auch dieses Café war bald zu klein. Wie das Belvedere bekam es 1842 ein neues, elegantes Gebäude mit exquisiter Inneneinrichtung. Und wie sein Nachbarlokal auf der Brühlschen Terrasse gehörte das Café ebenfalls schnell zu den Top-Adressen der Stadt und zog prominente wie internationale Gäste an.

 

 

Das Ende der beiden Lokale

Beide Gebäude stehen heute nicht mehr auf der Brühlschen Terrasse. Das Belvedere wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Das Café Reale schon Jahre zuvor, 1887 für den Bau der Dresdner Kunstakademie abgerissen. Doch einige Relikte haben die Zeit überdauert. Die markanten Säulen des Café Reale wurden im Gasthaus Goldener Apfel in Klotzsche, im Dresdner Norden, verbaut. Dort stehen sie noch heute, auch wenn das Gasthaus nicht mehr geöffnet ist, und erinnern an die Gastronomie auf der ehemaligen Festungsanlage.

Noch mehr interessante Geschichten über die Festung Dresden gibt es in unserer digitalen Ausstellung.

Jonas Klöber, Museologe und Café-Liebhaber, würde nach Verfassen des Artikels gerne eine kleine Zeitreise auf die Brühlsche Terrasse unternehmen.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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