Hinter den Kulissen

Neue Zugänge schaffen

Ein Begegnungsatelier für Menschen mit Demenz

Stefanie Schuster /

Das Bild einer Strelitzie entstand im Pillnitzer Demenzatelier
Bei vielen Tagungen und Veranstaltungen im Museumsbereich geht es um kulturelle Teilhabe. Aber wie setzt man die um? Wie fängt man an? Ein erstes Angebot in Schloss und Park Pillnitz ist eine Führung für Menschen mit Demenz. Nun gibt es mit dem neuen Begegnungsatelier eine weitere Möglichkeit für Betroffenen und Angehörige, sich neu zu begegnen.

Die Idee für die Einrichtung eines Ateliers für Menschen mit Demenz entstand aus der Beschäftigung mit diesem Thema heraus. Bei den Führungen „Schlüssel zum Geist – Kultur erleben trotz Demenz“, die im Schlosspark Pillnitz angeboten werden, kam ich mit den Betroffenen, aber auch mit den Begleitpersonen ins Gespräch. Neben dem sinnlichen Rundgang durch den Park kam auch der Wunsch nach einem aktiven Angebot zu Sprache.

 

Eine Idee auf den Weg bringen

Im Oktober 2019 holte ich mir im Lehmbruck Museum in Duisburg – das Museum ist seit vielen Jahren Vorreiter in diesem Bereich – bei der Fachtagung „Beteiligtsein von Menschen mit Demenz – Kunst und Kultur schaffen Zugänge“ erste Inspirationen. Theater, Musik, Kunst, Tanz, Kino … alles scheint mit Demenz möglich zu sein.

Kontakte knüpfen, Anträge stellen

Die Idee verfestigte sich. Ich schaute mich nach ersten Fördermitteln um, schrieb Anträge, versuchte Kontakte zu knüpfen. Über die Landesinitiative Demenz entstand der Kontakt zu Yvonne Engelhardt, die als Dipl.-Künstlerin und Dipl.-Kunsttherapeutin Erfahrung bei der Arbeit mit dementen oder seelisch erkrankten Menschen hat. Nach einem ersten Treffen festigte sich die Absicht, das Vorhaben voranzutreiben.

 

Die Deutschen Stiftung für Demenzkranke unterstützt uns mit einer Summe von 2.000 € für die nächsten zwei Jahre. Ein weiterer Antrag, den wir beim Sozialamt der Stadt Dresden eingereicht hatten, wurde im September ebenfalls bewilligt. Nun hatten wir nochmal 1.700 € für das Jahr 2021 zur Verfügung. Nun konnte es los gehen!

 

Flyer wurden gedruckt. Beim Welt-Alzheimer-Tag am 25. September 2021 im Hygienemuseum Dresden konnten erste Prospekte verteilt und Angehörige sowie Akteure im Bereich Geriatrie angesprochen werden. Eine Pressemitteilung wurde verfasst und verschickt.

 

Am 14. Oktober war es so weit: das Atelier fand zum ersten Mal statt. Ein Ehepaar, von dem ein Partner an Demenz erkrankt ist, war bei uns zu Gast. Thema war der herbstliche Park. Im November ließen sich dann drei betroffene Paare von der Pflanzenwelt des Palmenhauses inspirieren. Wir hoffen auf regen Zuspruch im neuen Jahr.

Gemeinsames Erleben und Erfahren

Die Bedürfnisse und Defizite von Menschen mit Demenz sind an vielen Stellen benannt und beschrieben. Neben allen bekannten Defiziten entwickeln Betroffene aber auch eine relativ große Offenheit das auszudrücken, was sie denken, fühlen und wünschen. Ästhetische Erfahrungen, die an frühere sinnliche und körperliche Erlebnisse anknüpfen, sind in besonderer Weise geeignet, soziale Interaktionen zu fördern.

Hier setzt unser Angebot an: gemeinsames sinnliches Erleben und künstlerisches Erfahren sollen einen Begegnungsraum öffnen. Kreative und nonverbale Methoden sollen es ermöglichen, sich trotz diverser Einschränkungen auszudrücken.

 

Fähigkeiten und Potentiale stehen im Mittelpunkt

Die offenen Treffen im Begegnungs-Atelier finden einmal im Monat für zwei bis drei Stunden statt. Ein sinnlich anregender Spaziergang durch einen Bereich des Schlossparks oder des Schlosses wird durch eine Achtsamkeitsübung eingeleitet. Was kann man in den hohen Bäumen des Koniferenhains hören? Wie riecht die frisch gemähte Wiese? Wie fühlt sich die rote Blüte des australischen Kängurupfötchens im Palmenhaus an? Wie klingen die Instrumente der Putten im Kuppelsaal? Alles kann begutachtet und beobachtet, manches berührt werden.

Nach diesen sinnlichen Eindrücken begibt sich die kleine Gruppe in die kulturpädagogischen Räume. Dort werden die bereitgestellten künstlerischen Materialien verwendet, um die Beobachtungen und Eindrücke umzusetzen. Dabei kommt es nicht auf künstlerisches Können an, sondern vielmehr auf den individuellen Ausdruck und den Spaß am kreativen Tun. Zum Abschluss werden die Arbeitsergebnisse gemeinsam betrachtet und anerkannt.

 

Nicht die Defizite der Menschen, sondern deren immer auch vorhandenen Fähigkeiten und Potenziale sollen in den Mittelpunkt gerückt werden. Während dieser aktiven Abschnitte können die Begleitpersonen ihre Angehörigen von einer bislang unbekannten oder schon vergessenen Seite kennenlernen. Sie erleben, welche Kreativität und Ideenkraft in jedem stecken kann.

Stefanie Schuster arbeitet als Kulturpädagogin in Pillnitz und sorgt mit ihrer Arbeit dafür, dass „kulturelle Teilhabe“ mehr als nur eine Phrase ist.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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