Hinter den Kulissen

Mit Zollstock, Messrad und Körpereinsatz

Stefanie Schuster /

Mädchen hält sich ein Försterdreieck vor das Gesicht um eine Höhenmessung durchzuführen
Was wollen wir in unseren Parkanlagen vermitteln? Geschichten, Zahlen und Fakten? Gern, aber dann bitte ganz aktiv! Mit Klemmbrett, Stift, Zollstock, Messrad und vollem Körpereinsatz erkunden Schülerinnen und Schüler den Pillnitzer Schlosspark.

Wie kann man Mathematik mit einem Parkbesuch verbinden?

Für Schülerinnen und Schüler der 3. und 4. Klassen gibt es im Pillnitzer Park ein körperlich und geistig anspruchsvolles Vermittlungsprogramm. Die Mitmach-Führung Höhe, Länge, Form – das richtige Maß finden wird oft als fächerübergreifendes Angebot für den Mathematik- und Kunstunterricht gebucht.
Ich gebe zu, zu Beginn der Veranstaltung steht die kulturhistorische Bedeutung des Schlosses und der Parkanlage im Hintergrund. Es geht nicht um August den Starken oder die Gräfin Cosel, nicht um das alte Renaissanceschloss und die barocke Gartenanlage. Am Anfang tragen die Schülerinnen und Schüler erstmal ihr ganzes Wissen über die verschiedenen Maßeinheiten, und wo diese zum Einsatz kommen, zusammen. 
 

Was kann man womit messen?

Im Matheunterricht ist das Lineal nicht wegzudenken, beim Weitsprung das Maßband und beim Kuchen backen das Litermaß oder die Küchenwaage. Eine kurze Gedankenexkursion führt uns zum historischen Maß Elle und von dort ist es nicht weit, auf die eigenen Füße zu blicken. Auch damit kann man messen. Nun aber ran an Zollstock und Maßband. Als Warm-up vermessen sich die Kids erstmal gegenseitig.

Dann beginnt ein Parcours, der die Gruppe in den repräsentativsten Teil des Schlossparks führt, in den Lustgarten. Unterwegs wird geschätzt, abgeschritten, gemessen und diskutiert. Wer alles richtig macht, kommt zum Ergebnis, dass die Treppe vor dem Neuen Palais genauso lang ist wie die Entfernung zwischen dem Neuen Palais und dem kreisförmigen Beet, das direkt davor liegt und dessen Umfang wiederum genau die gleiche Länge misst. Da scheint doch ein Plan dahinter zu stecken, oder?

Dynamo Dresden und Pokémon im Lustgarten?

Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte des Lustgartens und der Betrachtung der verschiedenen Beetformen können die Kinder – so wie es unsere Gärtner auch tun – ihre eigene Parkbepflanzung planen. Doch im Unterschied zu unseren Gärtnern dürfen die Kinder ihrer Kreativität freien Lauf lassen und das entwerfen, wonach ihnen der Sinn steht – unsere Gärtner können nicht so frei planen, schließlich ist der Pillnitzer Schlosspark denkmalgeschützt. Jedenfalls kommen die unterschiedlichsten Entwürfe heraus: Mal ganz ordentlich mit vielen stilisierten Blumen, mal ganz flächig mit knalligen Farben, darunter schon mal die von Dynamo Dresden oder anderer Fußballclubs. Auch Pikachu, eine Pokémonfigur, stand für ein Rundbeet Modell.

Und was lernen die Schülerinnen und Schüler? Dass hier keine der mehr als 20.000 Blumen spontan in den Boden gepflanzt worden ist. Alles folgt einer Planung, die bereits im Jahr zuvor gemacht wurde. Warum? Damit einerseits die Pflanzen frühzeitig in Gärtnereien bestellt und dort herangezogen werden können. Andererseits dürfen nur bestimmte Pflanzen verwendet werden, denn die Bepflanzung in einer historischen Gartenanlage folgt strengen Richtlinien der Denkmalpflege. Da kommt es auf die Farbauswahl und Größe an. – Nun, vielleicht schafft es Pikachu vor diesem Hintergrund doch nicht ins Beet.

Wie lang ist die Maile-Bahn und wie hoch sind die Kastanienbäume?

Nach der ruhigen planerisch-kreativen Phase dürfen die Kids ihr Messkönnen nochmals beweisen. In Kleingruppen schwirren sie aus, um Maile-Bahn und Heckengärten aufs Korn zu nehmen. Es wird gemessen, gezählt und notiert, was ihnen vor die Augen kommt: die Länge der Maile-Bahn, die Anzahl der Bänke und Kastanienbäume, sogar der Abstand zwischen den einzelnen Bäumen, ebenso die Höhe, Länge und Breite der Hecken oder der Umfang von Pflanzenkübeln und Baumstämmen.

Eine besondere Herausforderung stellt die Höhenmessung der Kastanien dar, die mehr Anleitung benötigt als die anderen Messtechniken. Hier kommt das sogenannte Försterdreieck zur Anwendung. Mit Hilfe eines gleichschenkligen Dreiecks mit Lot sollen die Schülerinnen und Schüler die Spitze eines Baumes genau anpeilen. Danach müssen sie den Abstand vom Baum zu Messpunkt nehmen und dabei die Entfernung bis hoch zum Auge berücksichtigen. Haben sie alles richtig gemacht, können sie jetzt die Höhe der Kastanienbäume bestimmen. Wenngleich die Ergebnisse schwanken, schaffen es die meisten Schülerinnen und Schüler – Messkönner eben.

 

Mit dankenswerter Unterstützung der 96. Grundschule aus Dresden konnte ich das Format weiterentwickeln. Dafür testeten die Lehrerinnen der 3. Klassen gleich mehrfach das Programm. Sie übten konstruktive Kritik und brachten weitere Vorschläge ein, sodass jetzt ein abwechslungsreicheres Angebot entstanden ist, welches Mathematik mit Geschichte verbindet.

Und vielen Dank an die Schülerinnen und Schüler der 91. Grundschule, die für Fotoaufnahmen zur Verfügung standen.

Stefanie Schuster ist Kulturpädagogin in Schloss und Park Pillnitz. Hätte sie als Schülerin auch diese Aufgaben lösen müssen, hätte sie sehr wahrscheinlich mehr Spaß am Matheunterricht gehabt.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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