Histories

Leisnig reloaded: Manfred Kobuchs Forschungen neu gedruckt!

Dr. André Thieme /

Ostansicht der Burg Mildenstein
Immer wieder Leisnig: Die Burg, die Adelsfamilie und die Stadt haben den Mittelalterhistoriker Manfred Kobuch (1935–2018) über Jahrzehnte hinweg beschäftigt. Ein neuer Sammelband stellt viele seiner wissenschaftlichen Aufsätze zusammen – auch die Leisniger Arbeiten. Endlich!

Eine lebenslange Beziehung: Manfred Kobuch und Leisnig

 

 

 

 

 

 

 

 

Manfred Kobuch hat Leisnig über die schriftlichen Quellen entdeckt. Für seine Diplomarbeit am Potsdamer Institut für Archivwissenschaften stieß der gerade 22-jährige Nachwuchswissenschaftler 1957 auf die Lehnbücher der Burggrafen von Leisnig. Ein knappes Jahr später legte er seine Untersuchung über die spätmittelalterliche Lehnsherrschaft der Leisniger vor – die jetzt erstmals und als Auftakt des neuen Sammelbandes im Druck erschienen ist. 

Nach einem kurzen Magdeburger Intermezzo wechselte Kobuch schon 1961 an das Dresdner Hauptstaatsarchiv, und dort sollte er 32 Jahre Dienst tun. Dem Thema Leisnig blieb er ähnlich treu: Doch ein schon fortgeschrittenes Wüstungsverzeichnis – eine Übersicht aufgegebener Siedlungen – des Leisniger Gebietes wurde nicht fertig. Unvollendet blieb auch ein größeres Projekt: Über die mittelalterliche Herrschaft der Burggrafen von Leisnig wollte Kobuch seine Doktorarbeit handeln lassen. 160 eng beschriebene Seiten umfasste sein Typoskript 1965 schon, bevor man befand, dass ein anderes Thema gesellschaftspolitisch relevanter sei. Kobuch musste von vorn beginnen und sich mit dem Bauernkrieg ein Thema jenseits von Leisnig suchen. Heute kursieren seine immer noch maßgeblichen Ausführungen zur Leisniger Burggrafschaft lediglich in einigen Kopien; für den Sammelband kamen sie aufgrund ihrer Länge leider nicht infrage.

In den folgenden Jahren entfernten die beruflichen Pflichten Manfred Kobuch von Leisnig. Aber als er 1977 einen wichtigen Beitrag über den streitbaren Grafen Wiprecht von Groitzsch veröffentlichte, kam Kobuch zwangsläufig wieder auf Leisnig zu sprechen – auch dieser Aufsatz ist jetzt neu abgedruckt worden.

Erst nach 1990 und vor allem nach dem erzwungenen Abgang aus dem Dresdner Hauptstaatsarchiv rückte Leisnig neuerlich ins Zentrum von Kobuchs Forschungen. Als er 2018 nach langer Krankheit starb, hatte Manfred Kobuch neben vielen anderen sechs neuere Aufsätze veröffentlicht, die sich (fast) exklusiv der mittelalterlichen Geschichte Leisnigs oder der Leisniger Burggrafen widmeten. Drei von ihnen sind jetzt im von Uwe John und Markus Cottin besorgten Sammelband neu aufgelegt worden. Manfred Kobuch jedenfalls gab Leisnig damit nicht nur eine besondere Geschichte, er hat Burg und Stadt auch zu einem wichtigen Erinnerungsort Sachsens gemacht. Und das bleibt über seinen Tod hinaus lebendig.

Kobuchs Leisniger Entdeckungen

In seinen frühen Arbeiten zeichnete Manfred Kobuch die genauen Konturen der mittelalterlichen Herrschaft der Burggrafen von Leisnig. Es wurde endgültig klar, dass die Leisniger zu den mächtigsten Herren ihrer Zeit östlich der Saale gezählt haben. Und aus dieser Rolle verstand man jetzt auch die besonderen Dimensionen der hochmittelalterlichen Burg mit ihrem architektonisch außerordentlichen Bergfried. Kobuchs Essenz seiner frühen Forschungen ist erst 1995 als Aufsatz in der „Burgenforschung aus Sachsen“ zum Druck gekommen – und leider hat diese Arbeit keinen Platz im neuen Sammelband gefunden.

In den neunziger Jahren entdeckte Kobuch, dass in einem Güterverzeichnis Kaiser Friedrich Barbarossas (regierte 1152–1190) nicht die Lausitz erwähnt war, wie man immer angenommen hatte, sondern Leisnig. Das war ein Paukenschlag, denn unter Geschichts-Nerds hatte dieses Tafelgüterverzeichnis Barbarossas seit jeher für Aufregung gesorgt. Leisnig jedenfalls wurde damit in die Reihe der staufischen Herrschaftsorte katapultiert – ein außerordentlicher historischer Prestigegewinn für die in den späteren Jahrhunderten so bedeutungslose Burg.

Bahnbrechend erwies sich auch, was Kobuch über die Entstehung der Stadt Leisnig zutage förderte. Schon immer hatte deren Lage auf dem Berg hoch über der Mulde verwundert. Kobuch erklärte sie neu: als planmäßige Verlegung aus Altleisnig, mit der die Leisniger Burggrafen die entstehende Stadt fester an ihre Burg und Herrschaft zu binden versuchten.

1365 vertrieb der Meißner Markgraf Wilhelm I., genannt der Einäugige, die Leisniger Burggrafen aus ihrem Stammsitz. Leisnig wurde wettinisch; die Burg erhielt den Namen Mildenstein. Dass sich die Burggrafen jenseits von Leisnig in Sachsen behaupten konnten und auch im 15. Jahrhundert noch zu den wichtigsten und in ihrer Verwaltung modernsten Herren der Region zählten, zeigte Kobuch in seinem letzten Beitrag zur Sache aus dem Jahr 2003.

Der neue Sammelband

Obwohl Manfred Kobuch zu den wichtigsten sächsischen Mittelalterhistorikern vor und nach 1990 zählte, sind viele seiner Arbeiten verstreut und entlegen publiziert worden. Nur unter Schwierigkeiten konnte man auf sie zugreifen. Doch der schon lange geplante Sammelband, der viele dieser Arbeiten neu zugänglich machen sollte, kam und kam nicht zustande. 2018 starb Manfred Kobuch. Nach seinem Tod nahmen sich Uwe John und Markus Cottin des schwierigen Projekts als Herausgeber an. Beide waren Kobuch wissenschaftlich und persönlich eng verbunden gewesen.

Jetzt erst nahm das Unternehmen Fahrt auf. Auch die Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen haben das Buchvorhaben aus naheliegenden Gründen unterstützt. Auf 544 Seiten, mit 60 Abbildungen, 11 Karten und einem perfekten Register, sind jetzt die wichtigsten Aufsätze des großen alten Gelehrten versammelt. Manfred Kobuch, der immer bescheiden und ohne Allüren geblieben ist, hat damit ein besonderes Denkmal erhalten – so und nicht anders hätte er es sich gewünscht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Meißnisch-sächsische Mittelalterstudien. Ausgewählte Schriften von Manfred Kobuch, hrsg. Von Uwe John und Markus Cottin (Schriften der Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft, Bd. 6), SAX-Verlag, Markleeberg 2021, Verkaufspreis 69,- €. Link: Meißnisch-sächsische Mittelalterstudien | Ausgewählte Schriften von Manfred Kobuch | Manfred Kobuch | Sax-Verlag - Onlineshop (sax-verlag.de)

Dr. André Thieme kannte Dr. Kobuch seit seinen Studententagen, hat unglaublich viel von ihm gelernt und blieb ihm auch später herzlich-kollegial verbunden.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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