Hinter den Kulissen

Bergfried im Bau

Falk Schulze /

Ansicht der Burg Gnandstein
Der Gnandsteiner Bergfried thront weithin sichtbar über der Burg und dem Ort Gnandstein. Aufgrund seiner Lage und seiner Höhe ist es normalerweise möglich bei guter Sicht bis nach Leipzig und in das Erzgebirge zu sehen. Zurzeit ist der höchste Punkt der Burg aber leider nicht begehbar. Die Holztreppe, immerhin stolze 112 Jahre alt, musste dringend saniert werden.

Ein kleiner Einblick lässt sich aber doch gewinnen: bei Museum Virtuell kann man den Bergfried wie auch die ganze Burg ausgiebig digital erkunden.

Die derzeitigen Bauarbeiten am Bergfried reihen sich in eine lange Tradition ein, denn auf einer Burg gibt es eigentlich immer etwas zu tun. Und an einem Bergfried, meistens dem höchsten und am weitesten sichtbaren Bauwerk, sowieso. Ein kleiner Blick zurück in die Geschichte gibt einen Einblick die Bautätigkeiten aus über 700 Jahren.

Ein Bauwerk mit langer Geschichte

Errichtet wurde der Bergfried um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Er ist 33 Meter hoch und hat an seinem Fußpunkt eine Mauerstärke von 3,50 Metern bzw. einen Gesamtdurchmesser von 9,40 Metern. Gebaut auch als Wohn- und Fluchtturm, befindet sich der originale Zugang, heute noch durch ein unprofiliertes, also glattes Gewände gekennzeichnet, in etwa 8 Metern Höhe. Dieser Zugang war nur mittels Leitern erreichbar. Im Belagerungsfall hätte der Bergfried als letzter Zufluchtsort gedient. Im Inneren waren mehrere hölzerne Böden eingebaut, die wiederum nur über ein Leitersystem untereinander erreichbar waren.

 

Bauarbeiten mit Tradition

In Höhe des Zuganges findet sich ein gut erhaltener Kamin in Form einer rechteckigen Nische. Der Kaminschlot reicht bis in die Höhe des alten Bauwerksabschlusses und ist später vermauert worden. In etwa 10 Meter Höhe findet sich eine weitere schmale Türöffnung. Hier handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Abortnische, also eine mittelalterliche Toilette.


Um 1400 erfolgte wieder ein Umbau. Wohl im Zusammenhang mit der Schaffung eines neuen Zugangs zur Schildmauer, entstand die Türmerstube. Sie liegt unterhalb der heutigen Ausstiegsplattform. Mit dem Verlust der militärischen Bedeutung der Burg rückte auch der Bergfried aus dem Blickfeld. Er wurde nicht weiter benutzt und verfiel im Laufe der Zeit.
 

Der Dornröschenschlaf des Bergfrieds endet

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs bei der Familie von Einsiedel, seit spätestens 1409 auf der Burg Gnandstein ansässig, der Wunsch, die alten Gemäuer interessierten Gästen zu präsentieren. Mit Hilfe des Sächsischen Altertumsvereins wurde der Bergfried saniert und ab April 1911 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. So ist der noch heute benutzte Zugang in die Wand gebrochen und eine hölzerne Wendeltreppe eingebaut worden. Gleichzeitig erfolgte die Sanierung der Plattform und des Zinnenkranzes. Der Bergfried wurde schnell zum Besuchermagneten. An einem Sonntag im Mai 1915 konnten beispielsweise über 50 Besucher gezählt werden. Auch in den folgenden Jahren konnten Einnahmen aus dem Turmbesuch erzielt werden.

In den 1990er Jahren wurde die Ausstiegsplattform des Bergfrieds mit Beton verstärkt. Die Plattform wird in den derzeitigen Bauarbeiten ebenfalls ausgebessert, um zukünftig wieder weite Ausblicke ins Umland der Burg zu ermöglichen. Bis dahin bitten wir um Verständnis, dass der Blick in die Ferne leider nur virtuell möglich ist.

Falk Schulze ist Museologe auf Burg Gnandstein. Er hat zur Zeit zwar keinen Ausblick in die Umgebung, aber dafür einen tiefen Einblick in die Geschichte der Burg. 


Letzte Änderung: 24.01.2020

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