Kunst & Gut

"Bieten Sie mehr?"

Ralf Giermann /

Auf dem flachen Zinnteller sind als einzige Schmuckelemente das Datum 26. Juli 1738 und ein Hirsch eingraviert.
Kunstauktionen gehören zu den spannendsten Ereignissen für Kunstinteressierte und Sammler. In unserem neuesten Beitrag berichtet Museologe Ralf Giermann, wie er für die Sammlung im Schloss Moritzburg ein ganz besonderes Exponat erstand.

Der Anruf vom Auktionshaus

Der Anruf war avisiert für die Zeitspanne von 16.00 bis 16.30 Uhr. Ich hatte mir dafür eine sonnige Stelle auf dem Marktplatz von Eisenach ausgewählt, wo ich für zwei Tage während meiner frühherbstlichen Urlaubsreise durch Thüringen verweilte. Den Marktplatz, weil er nicht weit weg vom Hotel lag und ich mir das dort gelegene Stadtschloss ansehen wollte. Ich kam etwas zu früh an und nutzte die Gelegenheit für Kaffee und Marzipantorte.


Tatsächlich klingelte kurz nach 16 Uhr das Telefon und es meldete sich das Auktionshaus. „Wir sind jetzt bei Los 835 und kommen gleich zu 839.“ Das war das Los, auf welches ich mich für unser Museum Schloss Moritzburg zum Bieten angemeldet hatte: Ein Zinnteller mit der Inschrift „Moritzburg 26 July 1738.“ und der bildlichen Darstellung eines springenden Damhirsches. Der vom Auktionshaus angesetzte Schätzpreis, die sogenannte Taxe, betrug 250 €.

Der Preis für den Gewinner

Es handelt sich bei diesem Teller um einen Preis bei einem Büchsenschießen, das 1738 zu Ehren der russischen Zarin Anna Iwanowna in Moritzburg abgehalten wurde. Der 26. Juli ist der Namenstag von Anna. Der sächsische Kurfürst Friedrich August II. hatte zu diesem Wettkampf eingeladen. Ihm war es nur durch politische und militärische Unterstützung der Zarin gelungen, als August III. die Nachfolge seines Vaters August der Starke auf dem polnischen Königsthron anzutreten.

 

Für zwölf Durchgänge, sogenannte Rennen, waren Preise bei dem Dresdener Zinngießer Friedrich Rothe und bei der Glashütte Ostra vor den Toren der Residenzstadt in Auftrag gegeben und angefertigt worden: zwölf Zinnteller und zwölf Deckelgläser. Neben der gleichen Inschrift waren sie mit verschiedenen Tierbildnissen graviert, entsprechend den hölzernen, mit Tieren bemalten Scheiben, auf welche die adligen Teilnehmer zu schießen hatten.

Das Rennen von 1738

Allerdings fanden aufgrund ungünstigen Wetters an diesem 26. Juli nur sechs Rennen statt: auf Löwe, Hirsch, Wildschwein, Tiger, Büffel und Bär. Es gewann jeweils der Schütze, der die Mitte der Scheibe am genauesten traf. Gleich nach jedem Rennen wurden die Preise vergeben. Den Zinnteller zierte ein Stück Marzipan. Das Glas war mit Wein gefüllt und musste sofort geleert werden.

Der nun angebotene Teller  war 1738 - bei nur sechs statt zwölf durchgeführten Rennen - nicht vergeben worden. Aus dem Ankaufbudget der Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen standen mir ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung, um mit großer Wahrscheinlichkeit den Zuschlag zu bekommen. Mit großer Wahrscheinlichkeit, weil ich aus eigener Erfahrung wusste, dass der Kunstmarkt nicht berechenbar ist. Einen festen Marktpreis gibt es nicht. Der zahlende Kunde bestimmt den Preis, je nachdem, was ihm das Objekt wert ist.

Sie haben den Zuschlag bekommen

Am Telefon setzte das übliche Prozedere ein: „200 € sind geboten, bieten Sie 250?“, damit begann der Bieterwettstreit. Wie oft mein Gegenüber mich auch fragte, ich sagte jedes Mal „ja, ich biete“, oder „ich gehe mit“. Bei 650 € dann endlich: „Herzlichen Glückwunsch, Herr Giermann, Sie haben den Zuschlag bekommen“. Der oder die Konkurrenten hatten aufgegeben. Ich war erleichtert, zufrieden und freute mich sehr. Zum Gebot kamen noch Aufgeld, als Gebühr für das Auktionshaus, und Mehrwertsteuer hinzu, so dass der Gesamtpreis noch etwas höher war. Später erfuhr ich, dass ich zwei Mitbieter gehabt hatte.

 

Ralf Giermann arbeitet als Museologe im Schloss Moritzburg und weiß den Luxus vergangener Zeiten durchaus zu schätzen.


Letzte Änderung: 24.01.2020

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