Schloss Nossen – Geschichte in fünf Episoden

Stress mit den Nachbarn

Im Sommer 1185 traf sich die Meißner Ritterschaft am Berg Collm bei Oschatz, um auf dem Landding, dem markgräflichen Gerichtstag, die Entscheidungen Markgraf Ottos zu vernehmen. Unter anderem ließ Otto eine Urkunde ausstellen, die den Grenzverlauf des zum Kloster Altzella gehörigen Landbesitzes festlegt. Darin wird auch ein Ritter namens Peter von Nossen erwähnt. Damit stellt diese Urkunde nicht nur die Ersterwähnung des Rittergeschlechts, sondern auch der Ortschaft Nossen dar. Für die Herren von Nossen sollte diese Grenzfestschreibung der Anfang vom Ende werden. Denn offensichtlich war man sich über den Grenzverlauf im Zellwald uneinig. Über ein Jahrhundert bekämpften sich die Ritter von Nossen mit den Mönchen von Altzella und schreckten dabei auch nicht vor Totschlag und Brandschatzung zurück. Mehrere Versuche zur Schlichtung, sogar durch kaiserliche Gesandte, scheiterten. Doch offenbar hatten sich die Ritter von Nossen in diesem Konflikt übernommen. Anfang des 14. Jahrhunderts übergeben sie ihre Burg samt Herrschaft an die Bischöfe von Meißen und verschwanden aus der Gegend.

 

Nase, Nüsse, Nossen

Im Hof des Nossener Schlosses wächst noch heute ein kleiner Walnussbaum. Auch das Wappen der Stadt Nossen zeigt drei stilisierte rote Nussbäume auf silbernem Grund, wobei diese mal als Walnüsse, mal als Haselnüsse beschrieben werden. Offenbar kam im 17. Jahrhundert die Erklärung auf, der Ortsname Nossen leite sich von den beliebten und nahrhaften Walnüssen ab. Inzwischen verfolgen Sprachwissenschaftler jedoch eine andere Spur. Die erste Burg vor Ort entstand vor etwa 850 Jahren auf einem Felsen hoch über einem kleinen slawischen Fischerdorf. Der heutige Name Nossen für Stadt und Schloss scheint eher aus dieser Zeit zu stammen und könnte ursprünglich so etwas wie „Siedlung an einer vorspringenden Felsnase“ bedeutet haben. Die ersten hier ansässigen Ritter übernahmen einfach die Ortsbezeichnung des Dorfes. Dass sie dabei nicht an Nüsse dachten, zeigt auch ihr Wappen. Darauf finden sich nämlich keine Nussbäume, sondern Mond und Sterne, was auf eine Teilnahme an den Kreuzzügen hinweisen könnte.

Eine Tiefgarage für 40 Pferde

Vor 400 Jahren galt Schloss Nossen als beliebtes Jagd- und Reiselager der sächsischen Kurfürsten. Um seinem Gefolge den Aufenthalt in der Provinz angenehmer zu machen, ließ Kurfürst Johann Georg I. ab 1628, also während des Dreißigjährigen Krieges, den prächtigen Südflügel errichten – ein Schloss im Schloss. Nach fünf Jahren Bauzeit war der Prachtbau fertiggestellt. Zur damaligen Zeit verfügte er über eine hochmoderne Einrichtung. Die Aufenthaltsräume für das kurfürstliche Gefolge waren beheizbar. In jeder Etage gab es mehrere Toiletten. Der Clou war jedoch im Keller versteckt: Eine Tiefgarage für Pferde. Über eine breite Pferdetreppe konnten die Tiere in den Keller geführt werden. Die Boxen in dem weiten Gewölberaum boten Platz für 40 Pferde. Viel Freude hatte man aber nicht an dem neuen Schlossflügel. Mehrfach wurde das Nossener Schloss angegriffen und verwüstet. In der Folgezeit hielten sich die Wettiner samt Gefolge nur noch selten in Nossen auf. In den Südflügel zog um 1680 die Verwaltung des Amtes Nossen ein. Platz für Pferde brauchte man nun nicht mehr.

 

Illustre Gäste

Nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte Nossen seine Funktion als Jagdlager verloren. Die Mitglieder der fürstlichen Familie besuchten das Schloss nur noch selten. Meist machten sie hier lediglich einen kurzen Zwischenstopp, wie Friedrich I. von Sachsen-Gotha 1672 auf einer Reise nach Dresden. In seinem Tagebuch schrieb er über Nossen, „welches ein sehr schönes Schloss ist. Abends wurde stark getrunken.“ Für leibliches Wohl war offenbar gesorgt worden.

Einige Jahre später besuchte auch Friedrichs Vetter August der Starke das Muldestädtchen mehrfach. Dabei trug er sich in ein Gästebuch ein, das damals auf dem Schloss geführt wurde und heute im Dresdner Hauptstaatsarchiv liegt. Auch August blieb nur kurz in Nossen, etwa um zu Mittag zu speisen. Ob er seine Aufenthalte hier nutzte, um seine Mätresse Sophie Eleonore von Klengel im benachbarten Rittergut Keseberg (heute Augustusberg) zu besuchen, ist nicht überliefert – mit der Kutsche wären es jedenfalls nur fünf Minuten gewesen. Berühmter noch als die Klengel war Augusts Geliebte Anna Constantia von Cosel. Auch sie besuchte Schloss Nossen – allerdings unfreiwillig. Im Dezember 1716 wurde sie für vier Wochen hier gefangen gehalten, bevor man sie nach Stolpen brachte, wo sie den Rest ihres Lebens eingesperrt blieb.

 

Hexen, Räuber, Wilderer

In den vergangenen 300 Jahren bestimmte vor allem die hier ansässige Amtsverwaltung den Alltag auf dem Nossener Schloss. Unter der Aufsicht des Amtshauptmannes registrierte und sammelte ein Rentschreiber alle Abgaben und Steuern aus den umliegenden Dörfern. Auch das Gerichtsamt befand sich im Schloss. Alle Verdächtigen des Umlandes wurden zunächst nach Nossen gebracht und in einem der vielen Kerker angekettet. Vermutlich gab es hier auch eine Folterkammer, da die „hochnotpeinliche Befragung“, wie man die Folter damals nannte, ein geeignetes Mittel war, die vermeintliche gewünschte Wahrheit herauszufinden. In den Akten finden wir Hinweise auf mehrere Hexenprozesse, Untersuchungen gegen Wilderer und die Inhaftierung von Räubern. In den wenigsten Fällen ist jedoch etwas über den Ausgang der Prozesse bekannt.

Auf die Geschichte des Nossener Schlosses als Gerichtsstätte weist noch heute der Lips-Tullian-Turm. Darin befindet sich der letzte noch erhaltene Kerker des Schlosses. In diesem Verlies soll Christian Eckoldt, ein Räuber aus der Bande des berühmten Hauptmanns Lips Tullian, gefangen gehalten worden sein. Beide Räuber landeten schließlich auf dem Schafott und wurden 1715 vor den Augen Augusts des Starken in Dresden hingerichtet.


Letzte Änderung: 24.08.2020