Schloss Weesenstein – Geschichte in fünf Episoden

Heinrich, Rudolf und Günther

Die Familie von Bünau hat ein eigenes Gesetz: die männlichen Nachkommen dürfen nur nach drei Vornamen benannt werden – Heinrich, Rudolf oder Günther. Und das seit 1517. Aber warum diese Namen? Einer Sage nach blieben nach einer Schlacht nur noch drei bünauische Ritter übrig – mit eben diesen Namen. Die vielen Heinrichs, Rudolfs oder Günthers jedenfalls sorgen schon einmal für Verwirrung – selbst unter Wissenschaftlern. Dieses Familiengesetz – dessen offizieller Name Erbeinigungsvertrag ist – gilt bis heute. Mittlerweile sind aber Doppelnamen erlaubt.
Das Familiengesetz regelt noch andere Dinge wie Heiratsbestimmungen, Umgang bei Streitigkeiten, Verhalten bei Todesfällen und – ganz wichtig für den Fortbestand der Familie – die Bewahrung des Familienbesitzes. So gelang es den von Bünaus, ihr Einflussgebiet nicht nur zu sichern, sondern auszubauen. Am sächsischen Hof hatten die von Bünaus bedeutende Staatsämter inne. Über zwölf Generationen hinweg blieben sie die Herren auf dem Weesenstein.

 

 

Gut gefüllt!

Nur über zwei Generationen war Weesenstein im Besitz der Freiherren von Uckermann. Johann Jacob von Uckermann der Ältere war vor allem erfolgreicher Geschäftsmann und Bauherr, der zahlreiche Baumaßnahmen und Modernisierungen im Schloss durchführen ließ. Sein gleichnamiger Sohn interessierte sich eher für die Wissenschaft und Natur und sammelte mit großer Leidenschaft ganz wunderliche Dinge: 54 anatomische Spirituspräparate und 55 weitere Objekte von Mensch und Tier, Skelette von Menschen und 103 Tierskelette, 87 Tiere in Spiritus, 316 präparierte Tiere, 54 „Pflanzenthiere“, 340 Muschel- und Schneckengehäuse, 7 Kästen mit Käfern, 15 Kästen mit Schmetterlingen, 700 Mineralien in sechs Schränken, 136 physikalische und astronomische Instrumente und noch etwa 9.000 Bücher. Die Räume im Schloss waren also gut gefüllt! Und belebt von zwölf Kindern, die er mit seiner Frau Elenore, geborene Hoffmann, hatte. Deren Ehe war nicht standesgemäß – Elenore war ein einfaches Stubenmädchen, was seiner Mutter gar nicht gefiel, aber die Klatschpresse umso mehr freute.

Der Dante-König

Ein König als Schöngeist und Literat? Unüblich war es nicht, denkt man an Friedrich den Großen. Er war preußischer Staatsmann, aber auch Musiker, Autor und Aufklärer. Auch in Johann von Sachsen brannte eine ganz und gar unstaatsmännische Leidenschaft. Seit seiner ersten Italienreise war er Dante Alighieri, einem mittelalterlichen italienischen Dichter, regelrecht verfallen! Bei einem Straßenhändler in Pavia entdeckte er zufällig eine Ausgabe der Divina Commedia, der Göttlichen Komödie, die er auf seiner Heimreise las und die ihn bis zu seinem Lebensende begleiten sollte.

Johann setzte sich ein Ziel: er wollte dieses Meisterwerk der Weltliteratur ins Deutsche übertragen. Unter dem Pseudonym Philalethes, was im Griechischen „Freund der Wahrheit“ bedeutet, brachte er 1849 sein Werk heraus und schrieb sich in die Literaturgeschichte ein, so schön und ausdrucksstark war seine Übersetzung. Bis ins Detail setzte er sich mit der Göttlichen Komödie auseinander: seine Bibliothek umfasste rund 1.000 Werke dazu, einschließlich Übersetzungen, Kommentare, Bibliographien und Kataloge. Er gründete eine Abendgesellschaft, die spätere Accademia Dantesca, mit der er über seine Arbeit diskutierte.

Seine Dante-Begeisterung spiegelt heute ein Deckengemälde im Empfangssaal des Weesensteiner Schlosses wieder. Darauf ist eine Figur, die Allegorie der Poetica, zu sehen. Ihr beigegeben ist eines von drei Bänden der Göttlichen Komödie, das „Inferno“.

Bombensicher!

Weesenstein im Zweiten Weltkrieg: Lastwagen voller Kunstschätze erreichten das Schloss. Niemand durfte etwas erfahren! Alles war strengstens geheim. Schließlich lagerten hier seit 1942 wertvolle Kunstgegenstände aus den Dresdner Kunstsammlungen. Unter anderem waren hier der sogenannte Maya-Codex, eine von nur noch vier erhaltenen Bilderhandschriften der Maya, Meisterwerke von Rembrandt und Caspar David Friedrich oder die Planetenlaufuhr von Eberhard Baldewein aus dem 16. Jahrhundert versteckt. Vier Meter dicke Schlossmauern sollten sie schützen vor den Bombenangriffen der alliierten Kriegsverbände. – Wie weitsichtig diese Entscheidung war, denkt man an den Februar 1945 zurück, als Dresden in Flammen stand!

Neben alledem mussten noch andere wertvolle Dinge vor ihrer Zerstörung gerettet werden. Wein zum Beispiel. 200.000 Flaschen von einem Dresdner Weinhändler lagerten im Schloss. Als die Rote Armee näher rückte, richteten die Schlossverwalterin Johanna Reinhard und der Baurat Oskar Pusch kurzerhand einen mobilen Weinverkauf ein. Denn der Wein sollte auf keinen Fall in sowjetische Hände fallen. Der Weesensteiner Bürgermeister schlug deswegen auch vor, den Wein einfach in die Müglitz zu schütten. Doch dafür war der Wein zu schade. Der Verkauf war sehr erfolgreich – und musste unterbrochen werden, als Gefahr bestand, von der Roten Armee entdeckt zu werden.

 

Das Tapetenmuseum des Ostens

Schon gewusst? – Im Weesensteiner Speisesaal hängen seit 1720 116 Kalbshäute an der Wand. – An der Wand!? Ja, und zwar verarbeitet, geprägt, bemalt, von Hand zusammengenäht und mit Holzleisten auf dem Putzgrund befestigt. Mit Gold verzierte Tapeten aus Leder, die ungemein teuer waren. Die Schlossherren von Bünau konnten es sich eben leisten. Vielleicht regte das den späteren Besitzer, Johann Jakob von Uckermann den Älteren, an. Er ließ chinesische Papiertapeten mit Blumen- und Vogelmalereien auf die Wände bringen. Sie sollten Glückwünsche für ein langes Leben, Ansehen, Reichtum und erfüllte Liebe überbringen. Das Gesellschaftszimmer zierte eine Panoramatapete mit Szenen aus einem erdachten chinesischen Alltag. Hergestellt in Frankreich, ist sie heute das am besten und am vollständigsten erhaltene Exemplar weltweit.

Auf König Johann geht die Velourstapete in seinem Wohnzimmer zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen zwei weitere Panoramatapeten mit griechischen Motiven hinzu: Kämpfe der Griechen und die antike Liebesgeschichte Amor und Psyche. Insgesamt ein wertvoller Bestand, weshalb Weesenstein auch als Tapetenmuseum des Ostens gilt.

 


Letzte Änderung: 25.08.2020