Festung Dresden – Geschichte in fünf Episoden

"Pfeile" gegen Leitern?

Wer kennt ihn nicht, den Schlachtruf beim Sturm auf eine Festung: „Legt die Leitern an!“? Um dies wirksam zu verhindern, erfanden italienische Festungsbaumeister pfeilförmige Bastionen, die aus der Wehrmauer ragen. Damit konnten auch die Angreifer beschossen werden, die es vorher im toten Winkel bis an den Mauerfuß geschafft hatten.

Mitte des 16. Jahrhunderts sieht der Herzog und spätere Kurfürst Moritz von Sachsen die Sicherheit seiner Residenzstadt Dresden in Gefahr. Es drohen Macht- und Glaubenskämpfe zwischen Protestanten und Katholiken, im Südosten des Reiches dringen die Türken vor. Noch dazu schreitet die Zerstörungskraft der neuesten Feuerwaffen unaufhaltsam voran. Moritz lässt deshalb ab 1545 einen Festungswall um Dresden errichten. Baumeister der neuen Festung ist Caspar Voigt von Wierandt, der sich an der Bauweise norditalienischer Städte orientiert.

Unter den deutschen Städten ist Dresden damit die erste mit einer modernen Festung nach italienischem Vorbild. 1555 stellen die Bauarbeiter den letzten Abschnitt fertig, nun ist die Stadt durch einen vollständigen Ring aus Mauern und Bastionen geschützt. Doch die Militärtechnik entwickelt sich zügig weiter: Rund 15 Jahre später muss Moritz‘ Bruder und Nachfolger August schon umbauen. Sein aufstrebendes Residenzschloss steht sehr dicht am Festungswall. Und die Bastionen an dieser Stelle sind schlicht: zu klein. Er lässt sie vergrößern und schafft den Freiraum, wo später die berühmten Bauwerke Zwinger und Semperoper entstehen.

Schaff er mir Gold!

1707: Johann Friedrich Böttger ist in der Dresdner Festung „inhaftiert“. Nicht wegen eines Verbrechens, nein. Ein Versprechen manövrierte ihn in die Gefangenschaft. Gegeben hatte er es Kurfürst August dem Starken fünf Jahre zuvor: Gold herstellen zu können. Dass dieser ihn seither nicht mehr aus den Augen ließ, liegt auf der Hand. In der sogenannten Jungfernbastion der Festung Dresden lässt August dem Apotheker aus Preußen ein Universallabor einrichten. Doch ist es schwierig mit der Goldherstellung. Unterstützt wird Böttger vom Metallurgen Gottfried Pabst von Ohain und dem Naturforscher Ehrenfried Walther von Tschirnhaus sowie vielen weiteren Männern aus dem Bergbau. Eher als Nebenprodukt der vielen Herstellungsversuche finden sie am 15. Januar 1708 etwas anderes: das Rezept zur Herstellung des ersten europäischen Hartporzellans – das Weiße Gold!

Frei kommt Böttger deshalb nicht – im Gegenteil. Die Geheimhaltung des Porzellanrezeptes ist wirtschaftlich so wichtig, dass Böttgers Sicherheitsvorkehrungen noch verschärft werden. Dafür ist der einst militärisch sicherste Ort des 16. Jahrhunderts zweihundert Jahre später gerade sicher genug.

 

Aus und vorbei!

Noch eine Berühmtheit – wenn auch eine traurige – ist Anfang des 18. Jahrhunderts in der Festung Dresden inhaftiert: Lips Tullian, der gerissene Anführer der Räuberbande Schwarze Garde. Die bis zu 60 Mann zählende Bande hatte die sächsischen Lande insbesondere an der Silber- und Salzstraße über ein Jahrzehnt mit Überfällen und Morden heimgesucht. Zeitweise trieb sie ihr Unwesen sogar bis nach Thüringen und Böhmen. Obwohl mehrfach geschnappt, gelang Tullian immer wieder die Flucht, auch aus der Festung Dresden, an deren Mauern er in Ketten lag.
1711 hat es sich jedoch ausgeräubert. Tullian sitzt wieder in Festungshaft und wird Ende 1714 zum Tode verurteilt. Im Beisein von August dem Starken, der die Bandenkriminalität verstärkt bekämpfen ließ, und rund 20.000 Dresdner Bürgern wird Lips Tullian am 8. März 1715 in Dresden enthauptet.

 

Lage ist alles!

Was macht ein Belvedere, ein Lustschloss mit schöner Aussicht, auf der Festungsmauer? Die vorderste Front der Stadtverteidigung war den Landesfürsten trotz vieler Einwände ihrer militärischen Berater noch nie heilig. Schon Ende des 16. Jahrhunderts „missbraucht“ Kurfürst Christian I. die Wehrmauer zivil. Auf der Spitze der Jungfernbastion lässt er ein Lusthaus mit herrlichem Blick über das Elbtal errichten.
 

 

1747 zerstört eine Explosion das Gebäude, doch der Ort bleibt gesetzt. Grundstückseigentümer ist inzwischen der wohlhabende Premierminister Heinrich Graf von Brühl. Er lässt an gleicher Stelle von Johann Christoph Knöffel ein zweites Belvedere auf seiner „Brühlschen Terrasse“ errichten. Dieses zerstört die preußische Armee bei ihrem Angriff auf Dresden im Siebenjährigen Krieg. Ein Drittes von Christian Friedrich Schuricht wird abgetragen, das Vierte, durch Otto von Wolframsdorf erbaut, zerstört der Krieg 1945. Der Reiz der Brühlschen Terrasse jedenfalls ist bis heute unbestritten! Seit dem 19. Jahrhundert flanieren die Menschen darüber und genießen die schöne Aussicht.

Bis heute überdauert

Ende 1809 hat die Festung Dresden derart an Bedeutung verloren, dass man beschließt, die Anlagen zu schleifen, also zurückzubauen. Gar nicht so leicht: Die Wassergräben müssen umgeleitet, die Eigentümer der Wallabschnitte entschädigt werden. Und überhaupt, die Kosten! Allen Problemen zum Trotz werden in den kommenden Jahren die meisten Mauerwerke gesprengt. Die Jungfernbastion mit dem Brühlschen Garten, den die Zeitgenossen nicht nur schön finden, sondern auch als Hochwasserschutz schätzen, bleibt jedoch erhalten.

Erhalten bleibt so auch das sogenannte Ziegeltor, das seit dem Umbau unter Paul Buchner im 16. Jahrhundert nicht mehr zu sehen ist. Das Ziegeltor war ein untergeordnetes Stadttor, durch das hauptsächlich die Baustoffe von den auswärts gelegenen Ziegelwiesen geliefert worden sind.  Heute ist es das letzte erhaltene Tor der Stadt!

 


Letzte Änderung: 24.08.2020