Fasanenschlösschen – Geschichte in sechs Episoden
Affen, Eichhörnchen und Fasane
August der Starke hatte wahrhaft königliche Pläne: Schloss Moritzburg avancierte zum Aushängeschild als Jagd- und Lustschloss des Wettiners auf dem sächsischen und polnischen Thron. Das neue majestätische Inselschloss blickte auch auf eine durchgestaltete Wald- und Teichlandschaft herab. Radial wie die Sonnenstrahlen verlief in östlicher Richtung ein Schneisenstern, und in der Ferne sollte man kleine Häuser zur Unterbringung einheimischer und exotischer Tiere erblicken, wie Affen und Eichhörnchen. Das Projekt blieb unvollendet, allein in der mittleren Schneise gen Osten entstand 1728 die Fasanerie. Fasane galten als Delikatesse auf der Hoftafel. Ein kleiner Pavillon am Ende der Sichtschneise diente dem König als Aufenthaltsort, wenn er die Vögel besichtigen wollte. Aber ob er je dort war, wissen wir nicht.
Ein Badehaus auf der Insel
Der Urenkel Augusts des Starken, Friedrich August III. von Sachsen, heiratete mit 18 Jahren Prinzessin Amalie Auguste von der Pfalz-Zweibrücken, die in ihrer Heimat gut gehende Kurbäder kennengelernt hatte. Damit die neue Kurfürstin darauf nicht verzichten musste, hatte der Kammerherr und Freund des Kurfürsten, Camillo Graf Marcolini, die Idee: in dem von ihm gepachteten Moritzburger Fasanengarten ließ er für sie eine Insel im Bärnsdorfer Großteich anlegen, auf der ein kleines Badehaus errichtet wurde. Ganz im Stile einer ländlichen Einsiedelei aus Rindenholz und mit Strohdach gebaut, war es im Inneren mit Muscheln, Tannenzapfen und Strohtapeten verziert. Neben einer kleinen Küche gab es einen möblierten Raum mit einer kupfernen Badewanne. Das Wasser zum Baden wurde mit einer extra Wasserleitung, die unter dem Teich verlief, auf die Insel gebracht. Der junge Kurfürst liebte auch den Aufenthalt auf der einsamen Insel, allerdings nicht zum Baden, sondern zum Angeln.
China liegt gleich hinter den Dardanellen
Dem jungen Kurfürstenpaar Friedrich August III. und Amalie Auguste gefiel der einsame Ort mit der Fasanerie am Bärnsdorfer Großteich. Sie beschlossen daher, ein neues Jagdschlösschen auf den Grundmauern des alten Pavillons in der Sichtschneise zum Schloss Moritzburg bauen zu lassen. Abseits vom strengen Hofzeremoniell konnte man sich hier in eine heile Welt träumen. Was lag näher, als sich dafür der Chinamode zu bedienen? Der Kaiser von China galt als der weise Herrscher. Genaue Vorstellungen von Land und Kultur gab es noch nicht. Aber die Exotik der ankommenden Waren aus Fernost ließ der Fantasie freien Lauf. So erhielt das neue miniaturhafte Schlösschen chinesische Formelemente wie den Mandarin mit Sonnenschirm auf dem Dach. Auch im Inneren ist alles verspielt. Anstelle schwerer Samt- und Damasttapeten gibt es bestickte Seiden mit Blumen, Vögeln und Schmetterlingen, Strohtapeten mit Perlen oder gar Federtapeten. Alles ist luftig und leicht. Um das Jagdschlösschen entsteht ein Lustgarten mit Skulpturen und einer Vogelvoliere im ostasiatischen Stil, worin teure Gold-und Silberfasane gehalten werden – allerdings nicht für die Jagd! Am östlichen Ende des Kanals in der Sichtschneise zum Schloss thront nun die schaumgeborene Venus auf einer neuen Brunnenanlage. Von hier aus kann die Herrschaft auf kleinen Boten entlang eines künstlich angelegten Wasserkanals zum anderen Ende des Bärnsdorfer Großteiches gondeln, wo künstliche Ruinenmauern errichtet wurden – Dardanellen genannt. Ist es die Überfahrt von Europa nach Asien?
Eine Seefahrt, die ist lustig ...
Wir schreiben den 10. September 1776. Die Kurfürstin Amalie Auguste berichtet: „... wir haben ein Fest in Moritzburg gefeiert, das sehr gut gelungen ist: den ganzen Tag hatten wir die unterschiedlichsten Unterhaltungen. Unser Admiral [Camillo Graf Marcolini, Anmerkung der Redaktion] hat uns ein Boot gebaut, mit Kanonen geschmückt und auf diesem Boot, eine Mischung aus Galeere und Bucintoro, konnten wir auf dem großen See umherfahren. Es war das schönste Wetter der Welt...unser General der Marine wurde der Held des Festes...“ Sachsen hatte natürlich keine Flotte und keinen Admiral. Aber für ein großes Hoffest konnte man in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen. Marcolini hatte neben dem Schiff auch den Hafen am Bärnsdorfer Großteich mit Mole und Leuchtturm erbauen lassen. Die Mole war wie das Schiff und die Bastionen an den so genannten Dardanellen mit kleinen Kanonen bestückt, die Böller in die Luft schießen konnten. So ließ sich eine treffliche Seeschlacht imitieren, ohne ein Boot zu versenken.
Was fliegt denn da?
Das Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 brachte auch für das Fasanenschlösschen einen tiefen Einschnitt: Es wurde vollständig geplündert und verwüstet. Doch damals gab es beherzte Menschen wie den Lehrer und Ornithologen Paul Bernhard. Er schlug der neuen Landesregierung vor, das Fasanenschlösschen zu retten, indem man eine Vogelschutzstation darin einrichte. Gesagt, getan. Wenig später kam eine Präparatesammlung der einheimischen Vogelwelt hinzu. Nach 1953 übernahm das Tierkundemuseum Dresden das Fasanenschlösschen als Außenstelle. Fortan war wohl jede Schulklasse der Region dort, um die sächsische Vogelwelt kennenzulernen. Noch heute erinnern sich viele Besucher gern an diese Zeit.
Aus dem Dornröschenschlaf erwacht
1996 fiel der Startschuss: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hatte einen Stifter für die Restaurierung des inzwischen marode gewordenen Fasanenschlösschens gefunden. Die Vogelsammlung zog aus und die Bauleute ein. Elf Jahre dauerte die Restaurierung der kostbaren Innenräume, in die der Freistaat Sachsen 3,5 Millionen Euro investierte. Dazu erhielt er eine großzügige Spende des World Monument Found und der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, welche die Restaurierung der wertvollen Stroh-, Feder- und Seidentapeten ermöglichte. Sogar ein Drittel des originalen Mobiliars aus dem 18. und 19. Jahrhundert konnte wiederaufgefunden werden. Zusammen mit anderen zeitgenössischen Möbeln ist die ehemalige Ausstattung nun wieder komplettiert und das Fasanenschlösschen prangt heute im alten, neuen Glanz. In geführten Rundgängen erfahren die Besucher von der wechselhaften Geschichte und mühevollen Wiederherstellung des Gebäudes und des umgebenden Fasanengartens, dessen bauliche Sanierung geplant ist.
Letzte Änderung: 25.08.2020