Monumental!

Der Maler Ludwig von Hofmann

Bis 1918 waren Schloss und Park Pillnitz Sommerresidenz der sächsischen Königsfamilie. Doch wer lebte danach in den wunderschönen Appartements? Wer wandelte im Lustgarten und saß auf der Freitreppe? Auf der Suche nach Antworten stößt man auch auf Ludwig von Hofmann - Monumentalmaler, Grafiker und Illustrator. Er zählt auch heute noch zu den wichtigsten Reformkünstlern der Zeit um 1900.

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Auf Wunsch seines Vaters studiert von Hofmann jedoch Jura in Leipzig. Als sein Onkel Heinrich Hofmann (1824-1911), ein bedeutender Maler seiner Generation, seine Zeichnungen lobt, fällt das „angezwungene Interesse für die Jurisprudenz“ in sich zusammen. Wohl auf Empfehlung von „Onkel Hein“ nimmt er daher 1883 ein Studium an der Kunstakademie in Dresden auf. Schon hier zeigt sich seine ewig kritische Art gegenüber sich selbst und seinem Schaffen.

Wenn, ja wenn nur das Talent nicht zu gering ist ...

Brief an seine Schwester Sophie Carrière, Leipzig, 22. Mai 1883

 

 

 

 

 

 

Während seiner Zeit in Dresden verinnerlicht er durch das Zeichnen von Akten nach Gipsabgüssen oder lebenden Modellen das Körperideal und die Ästhetik der Antike. Doch diese gelehrte Altmeisterlichkeit ernüchtert ihn. Die Kunstakademie in Karlsruhe gilt mit ihrem innovativen Angebot als modern und avantgardistisch, weshalb von Hofmann 1883 dorthin wechselt. 1889 zieht es ihn schließlich an die Privatschule Académie Julian in Paris, die durch das Renommee ihrer Lehrer einen guten Ruf genießt.

 

 

 

In Frankreich rufen von Hofmanns Pastelle, so steht es in einem Katalog zu seiner Ausstellung in Essen 1907, „das Entzücken der Kenner [hervor], sie sind es, die ihm bei so berufenen Richtern wie Claude Monet und Maurice Denis den Ruhm des nach Liebermann und neben Trübner ersten deutschen Malers eingetragen haben.“

Netzwerk

Sein Pariser Studium beschert von Hofmann Kontakte in ganz Europa. Ohnehin ein fleißiger Briefschreiber wird er zum wahren Netzwerker. Dazu tragen seine Reisen bei. Sie führen ihn mehrmals nach Frankreich, Italien und in die Schweiz sowie an viele andere Orte. Er besucht Freunde, schließt schnell viele Bekanntschaften und findet immer wieder neue Motive und Bildthemen.

Rom stellt für viele Jahre eine zweite Heimat für von Hofmann dar. Als Studienziel für viele europäische Künstler bietet die ewige Stadt zahlreiche Kontaktmöglichkeiten, Bezüge zur Antike und nicht zuletzt beständigeres, warmes Wetter im Gegensatz zu Berlin.

William Rothenstein (1872-1945)

Den englischen Maler William Rothenstein lernt Ludwig von Hofmann gleich zu Beginn seines Studienaufenthaltes in Paris an der Académie Julian kennen. Über 50 Jahre Freundschaft mit gemeinsamen Reisen, Besuchen und einem steten Briefwechsel soll die beiden ab 1890 verbinden. Der Austausch zwischen den beiden Künstlern ist innig und ehrlich. Ihm berichtet von Hofmann auch von Misserfolgen wie ausbleibenden Werkverkäufen oder die Kritik am eigenen Können. Rückblickend auf die gemeinsamen Ausflüge zum südlich von Paris gelegenen Montigny-sur-Loing schreibt er seinem Freund:

Ich wollte ja immer bei dir malen lernen und in Montigny habe ich schreckliche Versuche gemacht, wie Velasquez, Whistler und Degas zu malen. Es ging nicht und ich werde dies nie erreichen.

Ludwig von Hofmann an William Rothenstein, Rom, 24.05.1901
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Pierre Puvis de Chavannes (1824-1898)

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Henry van de Velde (1863-1957)

Gerhard Hauptmann (1862-1946)

Seit 1894 sind der Schriftsteller Gerhard Hauptmann und Ludwig von Hofmann enge Freunde. Sie lernen sich in Berlin kennen, wo beide zur künstlerischen Avantgarde gehören. Durch die Beziehung zu Hauptmann nimmt das Ehepaar von Hofmann rege am kulturellen Leben Berlins teil. Vieles verbindet sie, Dichtung, Reisen und gemeinsame Projekte. Hauptmanns Sohn Ivo (1886-1973) wird an der Kunstakademie Weimar einer von Hofmanns besten Schülern.

Ich freue mich wirklich herzlich mit Dir über den Ruf nach Weimar und daß Du ihn angenommen hast. Du kommst von Berlin fort, auf den ruhigen, klassischen Boden, der den Wurzeln Deiner Kunst nur beste Kräfte und Säfte zuführen kann, und ich denke mir auch

die Lehrtätigkeit vielfältig anregend und befriedigend. (…) Glück auf! Du wirst Freude an Weimar haben!

Gerhart Hauptmann an Ludwig von Hofmann, Agnetendorf, 10.05.1903

Der Reformer

Ludwig von Hofmann ist wohl derjenige unter allen jungen Malern heute in Deutschland, der den größten Stil hat, die weiteste und herrlichste Weise, Schönheit zu gestalten.

mutmaßt der Dramatiker Hugo von Hofmannsthal (1874–1929)

Abwehr

1907 stellt von Hofmann in Essen aus. Ein Kritiker rühmt „das Temperament der Zeichnung“. Es zeigt sich hier auch im Bildhintergrund: Unruhige Schraffuren in Lila und Weiß zeichnen die runden Körperformen der Steinewerfer nach und betonen ihre Bewegungsabläufe. Vor dieser abstrakten Weite untermalt ein kontrastreiches Licht-Schattenspiel die Körper im Vordergrund und überhöht sie. Aus Menschen scheinen Riesen zu werden.

Turnende Jungen

Auf dieser im Flachdruckverfahren entstandenen Strandszene üben zwei Jungen unter Beobachtung eines dritten den Handstand. Der Strand verläuft im Hintergrund diagonal in den hoch angesetzten Horizont. Das sorgt für eine dem Vordergrund gegenläufige Bewegung, wodurch Dynamik entsteht.

Die Tänzerin

Um 1900 befindet sich die Welt der Kunstschaffenden im Aufbruch – nicht nur im Bereich der Malerei. Die dargestellte Tänzerin Ruth St. Denis (1879-1968) revolutioniert mit ihren ausdrucksstarken Bewegungen die Tanzkunst.

1906 besucht von Hofmann eine ihrer Vorstellungen in Berlin. „Endlich hat man einmal tanzen sehen“, hält Harry Graf Kessler (1868-1937) seinen beeindruckten Kommentar zu einem Auftritt fest. Kessler vermittelt auch den Kontakt und so steht Ruth St. Denis von Hofmann mehrere Male Modell.

Monumentalkunst

Entwurfszeichnung für Weingemälde mit Menschen an einem Fluss

Dass von den so wichtigen und großen Arbeiten, wie meinen Wandmalereien kein Wort gesagt wird 

kritisiert der Maler Ludwig von Hofmann schon im Jahr 1936.

Als „ein charakteristisches Beispiel deutscher Monumentalkunst“, so Philosoph Friedrich Nietzsche, wird das Werk „der bedeutsamste Schmuck des gesamten Gebäudes“. Diese Wahrnehmung weicht doch deutlich von Ludwig von Hofmanns ab. Seine monumentalen Werke sind auch heute noch für alle sichtbar in Berlin im Pankower Standesamt, in Jena im Senatssitzungssaal der Universität, in Weimar im Nationaltheater, in Leipzig in Auerbachs Keller und im Lesesaal der Deutschen Nationalbibliothek zu bestaunen.

Vom Entwurf auf die Wand

Die Vision ist im Kopf und eine Skizze schnell auf dem Blatt.  Die Herausforderung ist es dann die Entwürfe auf die Wand zu übertragen. Wie stellt man das an?

 

Ludwig von Hofmann nutzt dafür Hilfslinien, in Form eines Quadratnetzes, die ihm beim Übertrag auf die Wand helfen. Teilweise lassen sich bei den Skizzen Nadeleinstichlöcher entdecken, die an den Konturen der Figuren entlangführen. Durch das leichte Klopfen auf die Nadel übertragen sich die Konturen auf die Leinwand.

Diesen Entwurf verwirklicht von Hofmann 1920 im Lesesaal der Deutschen Bücherei in Leipzig. Der Fries ist dynamisch. Die Trinkenden an der Quelle sind ruhig und vertikal angeordnet. Die Reitergruppe drängt in die Horizontale. Die mittige Figur mit Schwert und Ausfallschritt vereint beide Bewegungen. Die überlangen Glieder der Jünglinge und die kantige Form des Gebirges zeigen ein Wissen um Expressionismus und Kubismus.

Muskeln und Mienen der beiden Jungen deuten einen neuen monumentalen Stil an, den andere Künstler in den 1930er-Jahren zur Blüte entwickeln. Für Ludwig von Hofmann ist es sein größter und gleichzeitig letzter öffentlicher Auftrag.

Leben in Pillnitz

Nach seiner Emeritierung von der Dresdner Akademie Oktober 1932 bezieht der langjährige Professor für Monumentalmalerei Quartier im Wasserpalais. Er lebt dort mit seiner Frau, Eleonore (1878-1968), und der Adoptivtochter Blandine von Wenden (1929-1943), bis russische Soldaten die Familie im Mai 1945 aus dem Schloss weisen.

Am meisten interessiert mich (...) die Landschaft, die hier um Pillnitz herum viel Anregung bietet. Aber ich mache nur Zeichnungen und Pastelle

schreibt von Hofmann 1933 an seinen Freund, den englischen Maler William Rothenstein. 

Vor allem Kunstschaffende zieht es nach Pillnitz. Im Ostflügel des Wasserpalais lebt die Familie von Richard Dreher (1875-1932), dem ehemaligen Professor für Malerei an der Kunstakademie Dresden. Im Mittelbau wohnt Charlotte Schmitt, Witwe eines Ministerialdirektors. Im Neuen Palais wohnen Wanda Bibrowicz (1878-1954), die im Schloss die Schule für Textilwirkerei mitbegründet, sowie Mizzi Schindler, Witwe des Begründers der hiesigen Gartenbauschule. Ausgebombt in Dresden, zieht 1943 auch der Bildhauer Karl Albiker mit seiner Frau Helene ein. 

Das Statussymbol parkt neben dem Eingang an der Elbseite: Die „Benutzung der Anfahrtsstraße“ zur Wohnung „Schloßstr. 59 D durch Fuhrwerke“ ist verboten. Von Hofmann bittet die Gemeindeverwaltung 1935 um die „Vergünstigung der direkten Zufuhr“.

Überdies haben wir nur einen gewärmten Schreibtisch, neben dem ein elektrisches Öfchen steht, und das ist meiner! Alle anderen Räume sind kalt […]

Brief Ludwig von Hofmann an Charlotte Schmitt, 07.03.1942

Seit 1922 ist das Schloss in Staatsbesitz und wird in Teilen vermietet. Die Wohnung der von Hofmanns ist großzügig bemessen. Insgesamt gehören 18 Räume und Kammern sowie der überdachte und verglaste Austritte zum Mittelteil des Wasserpalis dazu. Doch was herrschaftlich und vornehm wirkt, ist kalt. Pillnitz ist nach wie vor ein Sommerschloss und die nachträglich eingebauten Öfen helfen im Winter wenig. Auch die Wasserleitungen sind für mehrere Mieter zu gering bemessen, so wird warmes Wasser zur Glückssache.

 

 

Die Bewohner des Schlosses können den Park für Erholungszwecke nutzen, ihre Wohnungen dürfen sie jedoch nur über die Außenseiten betreten. Für Ludwig von Hofmann bieten Schloss und Park zudem reichlich malerisch Anregung.

Auch ich male und zeichne noch immer einige Stunden am Tag. Es gibt unter meinen Vorräten von Skizzen und Motiven eine große Menge, die noch verlangen Bilder zu werden und es — nach meiner Meinung auch verdienen würden — aber nur ganz wenig davon werde ich mit meinen zwei Händen und einem einzigen alternden Kopf noch bewältigen können. Immerhin, so mancher Maler hat mit 80 und mehr Jahren noch an der Staffelei gestanden. Damit tröste man sich.

Ludwig von Hofmann an William Rothenstein, 1930

Blandine von Wenden und von Hofmann

Ein ungewöhnlicher Name für ein Mädchen mit einer ungewöhnlichen wie tragischen Geschichte. Als Urenkelin von Cosima Wagner (Ehefrau von Richard Wagner in zweiter Ehe) und Ururenkelin von Franz Liszt wurde ihr die Musik mit in die Wiege gelegt. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter wird sie von ihrer Patentante Eleonore und ihrem Mann Ludwig adoptiert und somit eine von Hofmann.

Als kleine Familie leben sie gemeinsam in Pillnitz. Ludwig von Hofmann nennt sie stets „Spatz“. Blandine feiert ihre Kommunion in der Schlosskapelle und geht auf die Pillnitzer Volksschule. Leider erkrankt sie schwer an Knochenkrebs und stirbt 1943 im Alter von nur 17 Jahren.

Mein geliebtes Spätzchen! Soeben begegnete mir im Park eine sehr fein aussehende alte Dame und sprach mich an, um mir ihre Teilnahme auszusprechen bei dem schweren Unfall, den meine „Enkelin“ betroffen habe. Nachdem ich sie über unser wahres Verhältnis aufgeklärt hatte, fragte sie, ob sie Dir nicht irgend eine Freude machen könnte, z.B. mit Erdbeeren.

Ludwig von Hofmann an Blandine im Krankenhaus, 1943

Die Ausstellung "Monumental! - Der Maler Ludwig von Hofmann" läuft noch bis

01. November 2025 im Schloss Pillnitz. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!


Letzte Änderung: 28.06.2024