Barockschloss Rammenau – Geschichte in fünf Episoden

Hoch hinaus und tief gefallen

Ernst Ferdinand von Knoch, Kammerherr des Kurfürsten August des Starken, verfolgte mit dem kompletten Neubau des Rittergutes Rammenau ehrgeizige Pläne. Ein richtiges Schloss mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden sowie einem Garten musste her. Als Angehöriger des sogenannten niederen Adels wollte er damit sein Ansehen bei Hofe steigern. Denn im Gegensatz zur adligen Elite musste sich der niedere Adel mit geringeren Bezügen und häufig eher dienenden Positionen wie Erzieher, Kammerherr oder Hofdame zufriedengeben.

 

Knoch wollte zur Elite aufsteigen und hat sich dabei gewaltig übernommen. Schulden über Schulden häuften sich an und die Gläubiger standen vor der Tür. Von Knoch war zahlungsunfähig und musste mit Gefängnis rechnen. Als letzten Ausweg wählte er den Verkauf seines Rittergutes. Mit dem Geld konnte er aber nur einen Teil seiner Schulden bezahlen. Er musste Konkurs anmelden und wurde aus dem Adelsstand ausgeschlossen.  

Im Bund mit dem Teufel?

In Rammenau erzählte man sich eine Sage: Der überschuldete Ernst Ferdinand von Knoch habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, damit sein Schlossbau fertig wird. Als Gegenleistung soll er dem Teufel versprochen haben, ihm ein eigenes Zimmer einzurichten. So finden sich in einem Raum im ersten Obergeschoss kleine Teufelchen an den Wänden. Sieht man etwas genauer hin, sind es aber keine Teufelchen, die da abgebildet sind, sondern gehörnte Satyrn – Fabelwesen aus der griechischen Mythologie. Sie gehören zum Gefolge des Dionysos, dem griechischen Gott des Weines, Festes, der Freude und Ekstase. Geschichten aus der griechischen Mythologie waren damals sehr beliebt. Der dritte Schlossbesitzer, Friedrich von Kleist, ließ deshalb ein Zimmer ganz im Stil der griechischen Antike einrichten – das Pompejanische Zimmer.

Auf den Kopf gestellt

Der 1762 in Rammenau geborene und später als Philosoph berühmt gewordene Johann Gottlieb Fichte zeigte schon als Zehnjähriger seine außergewöhnliche Begabung. Als Ernst Haubold von Miltitz, Gutsherr der Familie Fichte, eines Sonntags die Predigt verpasste, sprang kurzerhand der junge Fichte ein. Er imitierte den Pfarrer, die Predigt wiederholend, so perfekt, dass der Gutsherr schier begeistert war. Der Junge aus ärmlichen Verhältnissen musste gefördert werden! Miltitz sorgte dafür, dass Fichte erst die Stadtschule in Meißen und anschließend die renommierte Fürstenschule Pforta bei Naumburg besuchen konnte. Als studierter Mann der Fächer Theologie und Philosophie wurde er Hauslehrer. Doch statt die Kinder zu erziehen, fing er zunächst bei den Eltern an – und machte sich keine Freunde damit. Als Professor in Jena vertrat er später eine kühne Theorie: „Die Welt, in der wir leben, existiert nur in unserer Vorstellung. Ohne uns gäbe es sie gar nicht. Der Mensch ist der Schöpfer der Welt.“ Den christlichen Schöpfungsgedanken einfach umzukehren, kam bei der Kirche logischerweise gar nicht gut an. Zeitgenössische Dichter und Denker waren dagegen begeistert.

Von Pflanzen, Vögeln und Insekten

Die Rammenauer Schlossbesitzer verfolgten sehr verschiedene Interessen. Während von Knoch den sozialen Aufstieg erprobte, wandte sich Johann Centurius Graf von Hoffmannsegg um 1800 ganz natürlichen Dingen zu: Pflanzen, Vögeln und Insekten. Es war eine Zeit, in der die Menschen die Welt neu entdeckten: als Naturforscher.

 

Mehrwöchige Forschungsreisen führten Hoffmannsegg nach Ungarn, Österreich, Italien, Frankreich, Spanien und Portugal. Gemeinsam mit dem Naturwissenschaftler Heinrich Friedrich Link sammelte er über 2.100 Pflanzen und gab die Flore Portugaise, eine Übersicht der portugiesischen Pflanzenwelt mit über 100 Farbkupfertafeln heraus. Außerdem trug er eine Insektensammlung mit 16.000 Exemplaren zusammen.

 

1810 war Hoffmannsegg an der Gründung des Zoologischen Museums in Berlin beteiligt und übergab zu Forschungszwecken unter anderem seine Sammlung brasilianischer Wirbeltiere. Heute werden die Objekte im Berliner Naturkundemuseum aufbewahrt. 1820 kehrte von Hoffmannsegg nach Rammenau zurück, wo er sich dem Gartenbau, der Pflanzenzucht und der neu gegründeten Familie widmete. An seinen 1827 geborenen Sohn Conradin konnte von Hoffmannsegg seine Leidenschaft für die Natur weitergeben. Noch im hohen Alter plante er eine Expeditionsreise nach Afrika, die jedoch nicht mehr zustande kam.

Weg mit der Ordnung, her mit der Natürlichkeit!

Als Johann Centurius Graf von Hoffmannsegg 1820 wieder nach Rammenau kam, kehrte er auch in einen alten Barockgarten zurück. Für jemanden, der schon viele Jahre der naturgegebenen Ursprünglichkeit auf den Grund ging, muss die streng geordnete und jeder Natürlichkeit beraubte Gartenanlage ein Dorn im Auge gewesen sein. Hoffmannsegg begann, die Gartenanlage im Geschmack der Zeit umzugestalten und entwarf einen ehrgeizigen Plan: einen Landschaftsgarten mit geschwungenen Wegen, Gehölzgruppen und Teichflächen sowie weitläufigen Wiesen- und Ackerbereichen. Es entstand ein englischer Landschaftsgarten, der gerade Mode war, und dessen Prinzip die natürliche Landschaft ist – wenngleich künstlich angelegt. Man wollte ein ideales Abbild der Natur schaffen, im Sinne eines begehbaren Landschaftsgemäldes. Hoffmannsegg konnte seinen Entwurf jedenfalls teilweise umsetzen. Damit alles etwas schneller ging und sich Hoffmannsegg noch zu Lebzeiten an seinem neuen Garten erfreuen konnte, mussten um 1826 acht Mann ganze sechs Wochen bis zu 30 Jahre alte Großbäume aus den umliegenden Wäldern nach Rammenau verpflanzen. Die Bäume wurden anschließend angebunden und ausgerichtet. Zu ihnen gesellten sich fremdländische Gehölze aus der eigenen Baumschule. Zwei Teiche, der Schwanen- und der Fontänenteich, eine Grotte, eine Steinbrücke und ein Eiskeller bereicherten die Anlage.

 


Letzte Änderung: 25.08.2020