Schloss Colditz – Geschichte in vier Episoden

Pflegeheimgeruch im kurfürstlichen Gemach

Das Renaissance-Schloss Colditz geht vor allem auf die Bautätigkeit Kurfürst Friedrichs des Weisen zurück. Er selbst nutzte Colditz häufig als Residenz. Aber auch wenn der Kurfürst nicht vor Ort war, hielt eine Belegschaft aus Hauptmann, Knechten, Schreibern, Köchen, Wächtern, Landsknechten, Torwärtern, Kornwarten, einem Röhrmeister, einem Priester und einem Narren die Stellung. Vor 200 Jahren zog in das bereits heruntergekommene Schloss eine Irrenanstalt. Bis 1996 sollte das Schloss unter verschiedenen Namen kontinuierlich als Anstalt genutzt werden. Die Wohnetage Kurfürst Friedrichs des Weisen zum Beispiel wurde zu DDR-Zeiten zum Pflegeheim umfunktioniert und riecht daher bis heute noch nach DDR-Desinfektionsmittel.

 

 

Pracht der Provinz

Die älteste Abbildung des Colditzer Schlosses ist mit einem berühmten Namen verbunden. Der Maler Lucas Cranach d. Ä. hatte Schloss Colditz um 1529 in den Hintergrund einer biblischen Szene gesetzt. Das Bild heißt „Das Goldene Zeitalter“ und hängt heute in Oslo. Aus Rechnungen wissen wir, dass der alte Cranach sich viel mit dem Schloss befasst hat. Nicht nur, dass er die Farben und Muster der Wände und Fußböden, die Möbel und Gemälde der fürstlichen Gemächer bestimmte. Er entwarf auch Turmbekrönungen und wahrscheinlich allen Zierrat an den Fassaden und Giebeln. Fast alle heutigen Hauptgebäude sind auf seinem Gemälde schon zu sehen. Heute haben sie nüchterne Formen einer im 20. Jahrhundert reduzierten Renaissance. Damals lag ein Schleierwerk von zum Himmel strebenden Blümchen und Blättern aus Kupfer, Gold und buntglasierter Keramik über allen Gesimsen, Giebeln und Bekrönungen. Drinnen gab es bunte Kachelöfen, hunderte von Gemälden, kostbare Edelsteintische und Wandmalereien.

Überall Lustgärten

Die größte Pracht im Inneren und die schönsten Gärten hatte das Schloss um 1620 unter Sophia von Brandenburg. Als Sophias Sohn Johann Georg in Dresden Kurfürst wurde, zog sie sich nach Colditz zurück und regierte hier einen eigenen Hof. Wollte sie spazieren gehen, konnte sie aus ihren Wohnetagen in unterschiedlich gestaltete Gartenbereiche zwischen den ehemaligen Zwingermauern gelangen. Es gab Beete mit Rosmarin, Nelken, Akelei, Tulpen und Rosen, dazwischen Obstwiesen, Weinstöcke und Lauben mit "Jelängerjelieber" (Echtes Geißblatt) und Wein, dann wieder Springbrunnen umgeben von „zinnernen Meerwundern“. Wollte sie länger laufen, konnte sie den Weg zum Weinberg wählen und die Stufen empor durch fünf Grotten die oberste Terrasse mit einem herrlichen Ausblick auf Schloss und Stadt erreichen. Für kleinere Feste gab es ein weiteres Refugium. Mitten im Tiergarten war der Bach zu mehreren Fischteichen angestaut worden. Am oberen Ende befand sich ein runder Teich, in dessen Mitte sich ein achteckiges Schlösschen erhob. Am sogenannten Lusthausteich ist heute aber nichts mehr davon zu sehen.

Bettler im Schloss

Vagabunden, Taugenichtse und Gesindel lautet die „obrigkeitliche“ Beurteilung der Insassen eines Arbeitshauses. Zu einem solchen wird Schloss Colditz ab 1803, weil überall im Land Armut, Bettelei und Obdachlosigkeit zugenommen hatten und das Bürgertum sich solcher Randgruppen entledigen wollte. Im Arbeitshaus sollen Männer und Frauen einfache Arbeiten erledigen, um sich an Zeitdisziplin und Arbeitsmoral zu gewöhnen. Damals glaubte man noch, man könne die Bettelei gänzlich abstellen. Weit gefehlt! Andere Probleme traten hinzu. Örtliche Handwerker beschwerten sich über die billige Konkurrenz, die Insassen demolierten ihr Arbeitsgerät oder es wurden überhaupt zu wenige Bettler durch „Straßenbereiter“ (eine Art Hilfspolizei) eingeliefert.

Dazu kam vielfach Streit innerhalb der verantwortlichen Armenkommissionen: Ist der Bettler nur zu faul zum Arbeiten oder soll er bemitleidet werden? Wie kontrolliert man die Rückgabe von Almosen, falls der Bettler zu Geld kommt? Geht es dem Bettler im Arbeitshaus zu gut, weil er zu viel Essen bekommt? Oder sorgt man mit regelmäßigem Essen für Beruhigung und wirkt Bestechung und Kriminalität entgegen? Die Lage war kompliziert und kommt uns heute auch erstaunlich bekannt vor. Nur 30 Jahre später wird die Anstalt nach einer sächsischen Reform der Straf- und Versorgungsanstalten wieder aufgelöst. Die Zeichnung ist die einzige überlieferte Bildquelle. Sie zeigt Insassen des Vier-Klassen-Systems, in das man nach Wiederholungsgefahr und Disziplin(-losigkeit) eingeordnet wurde.


Letzte Änderung: 25.08.2020