Großer Garten Dresden – Geschichte in fünf Episoden

Hamburger Gärtner gewinnt Architekturwettbewerb in Sachsen

Kurfürst Johann Georg III. hatte eine Vision: Auf einer grünen Wiese weit vor den Toren der Stadt Dresden sollte eine neue, alle anderen Anlagen im Land übertrumpfende Garten- und Festanlage entstehen. Sie sollte so gestaltet sein, dass Architektur und Garten gestalterisch und funktional eine Einheit bilden und weiträumige Sichten bis in umliegende Landschaftsräume ermöglicht. – Repräsentativ und vor allem modern! Denn Deutschland war gartengestalterisch nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit.
 

 

 

1683 startete ein Wettbewerb, bei dem der gerade nach Dresden gezogene Gärtner Johann Friedrich Karcher den innovativsten Vorschlag auf den Tisch legte. Trendbewusst plante er einen nach völlig neuen Ordnungsprinzipien gestalteten Garten – im barocken Stil. Das im Zentrum der Anlage platzierte Gartenlusthaus, das Palais, wurde nun von großen Parterreanlagen umgeben – niedrig bepflanzte Gartenbereiche, die als Bühne für Feste genutzt worden sind. Damit führte Karcher die wesentlichsten Gestaltungsprinzipien der barocken Gartenkunst in Sachsen ein – und holte zu den großen Vorbildern Frankreich und Italien auf. Das war der Startschuss für seine steile Karriere am sächsischen Hof. Als Obergärtner – eine nur für ihn neu geschaffene Stelle – waren ihm fortan alle Hofgärtner auch anderer kurfürstlicher Anlagen unterstellt. Nur zwölf Jahre später wurde er kursächsisch-polnischer Oberlandbaumeister.

 

Die Venus lädt zum Fest – der Hof tanzt Ballett

23. September 1719: Nach dreiwöchigem Festrausch findet sich die Hochzeitsgesellschaft des Kurprinzen Friedrich August II. und der habsburgischen Kaisertochter Maria Josepha zum Venusfest im Großen Garten ein. Das Fest war allein der Braut gewidmet – bei Venus, der Göttin der Liebe und Schönheit wenig verwunderlich! 

 

Neben einem Damenringrennen führten Mitglieder des Hofes ein Singspiel mit Ballett auf – ganz im Stil des großen Vorbildes, dem Sonnenkönig Ludwig XIV. Als Jugendlicher trat dieser nämlich selbst als Balletttänzer auf. Doch in einer Sache war man den Franzosen voraus: Während man sich am französischen Königshof in Versailles mit einer mobilen Theaterbühne zufriedengeben musste, leistete man sich im Großen Garten gleich einen Theaterneubau im Freien.

Zum Abend hin reflektierte der 1715 angelegte Palaisteich den kunstvoll beleuchteten Garten. Sowieso muss der nächtliche Anblick auf die Gäste berauschend gewirkt haben. Denn von dem extra für das Fest errichteten Venussaal östlich des Palaisteiches öffneten sich Blicke bis zu den Elbhängen auf der gegenüberliegenden Elbseite. Dort tauchten Leuchtfeuer den Elbhang in ein Meer aus Funkelsteinen und Lichterblitzen.

Für die Interessen der Gartenkunst!

Am 10. Mai 1887 füllte sich der Terrassenraum der ehemaligen Großen Wirtschaft im Großen Garten mit namhaften Experten auf dem Gebiet des Gartenbaus und der Gartenkunst. Unter dem Vorwand, sich im Rahmen der in Dresden stattfindenden 1. Deutschen Gartenbauausstellung zu treffen, verfolgten die Teilnehmer ein ganz anderes Ziel: die Gründung einer gesamtdeutschen Interessenvertretung, den Verein deutscher Gartenkünstler. Denn schon längere Zeit ärgerten sie sich über Architekten und Bildhauer, die ihre „steinernen“ Interessen rücksichtlos gegenüber den Belangen der Gartenkunst durchzusetzen versuchten und dem „feinfühligem Gartenkünstler stets feindlich gesonnen waren“.


Damit wollten die Gartenexperten, unter ihnen die Königlichen Gartendirektoren Gustav Krause und Friedrich Bouché aus Dresden sowie der Stadtobergärtner Carl Hampel aus Berlin, endlich der Gartenkunst den ihr gebührenden Rang unter den Künsten einräumen. Außerdem beschlossen sie, eine Hochschule für eine ordentliche Ausbildung im Gartenbau zu gründen und sich für eine gerechtere Bezahlung ihrer Arbeit einzusetzen.

 

Am 05.12.2012 kehrte die heutige Gärtnerprominenz in den Großen Garten zurück. Im Festsaal des Palais feierte man das 125-jährige Vereinsjubiläum der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur, wie die Interessenvertretung mittlerweile heißt.

Der Maler Oskar Kokoschka unter Mordverdacht

Was für eine betörende Wirkung die Wienerin Alma Mahler-Werfel doch auf die Männerwelt gehabt haben muss! Mit dem Komponisten Gustav Mahler, dem Bauhaus-Gründer Walter Gropius und dem Schriftsteller Franz Werfel war sie verheiratet. Eine Affäre hatte sie mit dem nicht minder bekannten Maler Oskar Kokoschka. Allerdings nahm diese für den Künstler einen eher tragikomischen Verlauf.
Ihre Liebesgeschichte, die 1912 begann, war voller Ekstase, aber auch von Qual und Eifersucht geprägt. Kokoschka war regelrecht fixiert auf die Frau. Etwa 400 Briefe schrieb er an sie. Nach nur drei Jahren endete die Liaison. 

 

Um über den schmerzhaften Verlust hinweg zu kommen, beauftragte der Maler die Puppenmacherin Hermine Moss, eine lebensgroße Alma-Puppe anzufertigen. Mit dem Endergebnis war der Maler allerdings nicht zufrieden. Nachdem er die Puppe mehrere Male gezeichnet hatte, beschloss er, sie zu vernichten. Hierfür veranstaltete Kokoschka ein Champagnerfest mit Kammermusik im Großen Garten, wo er seit 1919 im Nebengebäude eines der Kavaliershäuser lebte. Schon sehr betrunken, schlug er der Puppe in einer frühen Morgenstunde den Kopf ab und übergoss sie mit Rotwein. Als am nächsten Tag zwei Polizisten eher zufällig die Puppe erblickten, missdeuteten sie diese als Frauenleiche und bezichtigten den Maler als Liebesmörder.  

Vergangenheitsspuren

Haben Sie auch schon die transparente Bank auf der Hauptallee entdeckt, die einem rechter Hand vom Hygienemuseum in den Großen Garten kommend begegnet? So zerbrechlich sie wirkt, macht sie auf die Zeit aufmerksam, in der nationalsozialistische Rassegesetze das Leben der jüdischen Mitbürger in Deutschland unmenschlich erschwerten. Erst durften sich Juden nicht mehr auf Parkbänke setzen, später durften sie nicht mal mehr den Großen Garten betreten. Missachteten jüdische Mitbürger die Vorschriften, drohte ihnen neben körperlicher Gewalt und wochenlanger Inhaftierung die Überführung in ein Konzentrationslager.
 

 

Als im Februar 1945 der Zweite Weltkrieg wie ein Bumerang Dresden erreichte, ist auch der Große Garten schwer beschädigt worden. Viele Gehölze fielen dem Bombenangriff zum Opfer. Eine Eiche in der Nähe des Mosaikbrunnens berichtet davon: in ihrem Stamm haben sich Granatsplitter eingewachsen. Heute mahnt sie als „Splittereiche“ an die verhängnisvolle Zeit.
Und auch am Palais hat dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte Spuren hinterlassen. Durch den einsetzenden Feuersturm der Bombennacht völlig ausgebrannt, ist sein Außenkleid wiederhergestellt worden, während der Festsaal im Inneren weitestgehend im Rohbau blieb und an die Zerstörungswucht erinnert.


Letzte Änderung: 24.08.2020