Burg Mildenstein – Geschichte in fünf Episoden

Der verschwundene Burgbrunnen

Im Winter 2001 begaben sich die Mitglieder der Dresdner Höhlen- und Katasterforscher erstmals auf die Suche nach dem verschwundenen Brunnen. Nützliche Hinweise erhielten sie dabei aus alten Rechnungen, die in Dresdner und Weimarer Archiven liegen: die älteste Rechnung stammt aus dem Jahr 1390, als Reparaturarbeiten am Brunnen notwendig wurden. Neben der Burgkapelle fanden die Forscher nun einen zugemauerten Brunnenschacht.

Diesen konnten sie öffnen und bis in eine Tiefe von 42 Meter befahren.

Archäologische Ausgrabungen, die in den Jahren 2019/2020 stattfanden, brachten Überraschendes zu Tage: Nach dem Bergen einer historischen Arbeitsbühne und zwei Leiterfahrten wurde die Brunnensohle erst bei einer Tiefe von 66,5 Metern erreicht. Neben Fundstücken wie zum Beispiel Knochenresten und Keramikscherben wurden auch zwei alte Holzeimer gefunden. Vermutet wird, dass der Brunnen unter Kaiser Friedrich Barbarossa abgeteuft, also bergmännisch in den Felsen getrieben, wurde. Somit wären der Brunnen, die Burgkapelle und der Bergfried steinerne Zeugnisse kaiserlicher Herrschaftszeit hier in Leisnig.

 

Eingang an der falschen Stelle?

Betritt man den kleinen Innenhof im Vorderschloss, wandert der Blick automatisch nach oben. Ein prachtvolles Portal zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. Das nach oben hin spitz zulaufende Porphyrgewände scheint ehemals als Eingang angelegt worden zu sein – aber wieso im oberen Geschoss, ohne Treppe und nicht ebenerdig als Schlosseingang? Von einer Treppe oder einem balkonartigen Austritt fehlt jede Spur. Der Kernbau des Vorderschlosses geht auf die Bautätigkeit Wilhelms des Einäugigen (um 1400) zurück.

Sein Neffe Friedrich IV. lässt später die beiden Wappenbilder links und rechts neben dem Portal anbringen; links: Die Landgrafen von Thüringen; rechts: Die Markgrafen von Meißen. Sie sollen die Zusammengehörigkeit der Wettiner Hauptlande symbolisieren. Vermutet wird, dass die im Obergeschoss liegenden Säle über eine Art Holzgalerie von außen zu betreten waren. Die dahinterliegenden repräsentativen, teilweise beheizbaren Räume und das steinverzierte Eingangsportal machen deutlich, dass Wilhelm I. hier in Leisnig eine Residenz geplant hatte. Sie sollte imposant sein und sich vom massiven Wehrcharakter einer Burg lösen. Bedauerlicherweise konnten weder er noch sein Neffe das Bauvorhaben „Schloss Mildenstein“ vollenden.

Anna und Amalia allein zu Haus' ?!

Anna und Amalia werden wie ihre Geschwister in Meißen geboren. Aber einen Teil ihrer Kindheit verbringen die kleinen Mädchen und später auch die Jungen auf der Burg Mildenstein – Allein?! Zumindest ohne ihre Eltern. Bereits ab dem Alter von sechs Monaten werden sie auf die Burg geschickt. Die Kinderstube bleibt bis 1459 bestehen. Mit dem Weggang der Tochter Margarethe löst sich diese auf. Sie verlässt Burg Mildenstein und tritt dem Klarissenkloster in Seußlitz nahe Meißen bei.

 

Verborgene Sehnsüchte

Als der Restaurator 2006 die Farbfassungen einer Gefängniszelle untersucht, macht er plötzlich eine Entdeckung. Unter jüngeren Wandanstrichen werden auf einmal Buchstaben sichtbar. Dabei handelt es sich um Hinterlassenschaften früherer Gefängnisinsassen. Die Befunde werden daraufhin fachmännisch freigelegt. Zum Erstaunen der Restauratoren kommen nun auch Malereien zum Vorschein, mit denen man nicht gerechnet hat: Uniformierte Soldaten mit zylinderartiger Kopfbedeckung scheinen auf und ab zu gehen; Windmühlen drehen sich emsig im Wind und bringen Bewegung in die fast eintönige Malerei; ein Schloss zeigt sich erhaben und doch etwas undeutlich an der Wand.

 

Bildhafte Szenen sind nun erkennbar, sie scheinen an der Wand zu haften wie Erinnerungsfetzen seltsamer Träume. Doch genau das könnten sie gewesen sein: Träume von der Freiheit, die hier im Amtsgefängnis vermutlich Realität waren. Das Schloss und die Windmühle als Symbole für die Heimat, die Sehnsucht freigelassen zu werden und endlich nach Hause zu kommen.

 

Durch die Kopfbedeckung der Soldaten, dem Tschako, lassen sich die Zeichnungen in die Zeit der Befreiungskriege Anfang des 19. Jahrhunderts datieren. Die Gefängniszelle wurde 1789 mit weiteren Zellen im Vorderschloss errichtet. Erst 1952 endet die mit Leid verbundene Geschichte der Inhaftierung auf Burg Mildenstein. Das Amtsgericht sowie die Inhaftierungsräume werden in Leisnig aufgegeben.

Die Affen sind los!

Am 21. Juli 1971 ging ein außergewöhnlicher Notruf bei der Freiwilligen Feuerwehr in Leisnig ein. Im Tierpark waren die Affen ausgerissen. Unterhalb der Burg Mildenstein konnte ab den 1960er-Jahren ein kleiner Heimattierpark besucht werden. Neben einem Wolf, einem Bären, einigen Rehen und Vogelarten gehörten auch Affen zum Tierparkensemble. Zwei Affen namens Coco und Diana setzten sich an diesem 21. Juli bei sommerlicher Wärme ab und brachten die Kameraden der Feuerwehr ordentlich ins Schwitzen.

Nach einer aufreibenden Verfolgungsjagd konnte Diana auf dem Spielplatz und Coco im Wallgraben der Burg gefasst werden. Der Tierpark wurde Anfang der 1990er-Jahre geschlossen, denn die Haltungsbedingungen waren einfach nicht mehr zeitgemäß. An der Stelle des Tierparks befand sich vorher eine romantische Parkanlage. Diese ging auf ihren Begründer Johann August Benjamin Ehrenfried Mirus zurück. Der Miruspark mit künstlicher Ruine ist heute noch vom Muldental aus sichtbar und soll nach seiner Sanierung in den nächsten Jahren wieder geöffnet werden.


Letzte Änderung: 25.08.2020