Es ist nur eine Frage der Zeit: Gärtnerinnen und Gärtner in den Parks und Gärten rund um Sachsens Schlösser stehen vor enormen Herausforderungen durch den Klimawandel. Der Pflegeaufwand für Bäume, Hecken und Blumen ist deutlich gestiegen. Bewässerung und Aufzucht müssen neu gedacht werden. Robotik-Forschende der TU Dresden und des Dresdner ‚Barkhausen Instituts‘ sind aber überzeugt: Gartenroboter könnten die Gartenfachkräfte entlasten. Aber welche Vorstellungen automatisierter Helfer entwickeln Besucherinnen und Besucher des Schlossparks in Pillnitz oder des Großen Gartens in der Dresdner Innenstadt? Wie müssen Gartenroboter gestaltet sein, damit sie ungehindert ihrer Arbeit nachgehen können? Und: Wie verändert sich die Wahrnehmung der Parks und Gärten als Kulturdenkmäler und Erholungsorte, wenn Maschinen dort nachts gießen oder tagsüber Hecken beschneiden?
Um diese Fragen zu beantworten, luden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit dem Schlösserland Sachsen 25 Bürgerinnen und Bürger im Dezember 2021 zu einem interaktiven Online-Workshop ein. Er ist Teil eines dreijährigen Projektes, mit dem die historischen Parks und Gärten im Schlösserland Sachsen auf den Klimawandel eingestellt werden. Moderiert wurde der Workshop von den Zukunftsforschenden Nele Fischer und Wenzel Mehnert vom Berlin Ethics Lab der TU Berlin. Auch wenn die wissenschaftlichen Auswertungen der Diskussion noch andauern, haben die beiden direkt im Anschluss über ihre Eindrücke von der Diskussion gesprochen.
Frau Fischer, Herr Mehnert, Sie führen als Zukunftsforschende viele Diskussionen über neue Technologien im Alltag. Wie hat sich die Diskussion über Gartenroboter davon unterschieden?
Fischer: Tatsächlich ist es schwer, solche Diskussionsformate miteinander zu vergleichen. Jeder Workshop behandelt ein anderes Thema, stellt andere Anforderungen an die Gruppe und bringt wiederum unterschiedliche Teilnehmende an einen Tisch oder in einen virtuellen Raum. Was hier besonders war, ist natürlich die Gartenanlage selbst. So haben auch die Teilnehmenden betont, dass die Hecken oder auch die Kamelien in Pillnitz von besonderem kulturellem und historischem Wert sind und durch die verwendeten Technologien mit entsprechender Sorgfalt behandelt werden müssen. Was bei diesem Gespräch auch betont wurde, ist die Notwendigkeit einer Vertrauensbasis, gegenseitigen Respekts und von Akzeptanz für das Gelingen eines solchen Projektes.
Für das Fingerspitzengefühl benötigt man das spezielle Fachwissen einer ausgebildeten Gartenfachkraft
Was hat Vertrauen mit Robotern zu tun?
Fischer: Wenn man über neue Technologien und Automatisierungen spricht, schwingt oft die Angst mit, dass dabei auch der eigene Arbeitsplatz gefährdet sei und man auf kurz oder lang entbehrlich werden würde. Das beträfe hier in erster Linie die Gärtnerinnen und Gärtner. Die sehr offene, vertrauensvolle Diskussion war ein guter Schritt, um die unterschiedlichen Sorgen und Hoffnungen auszusprechen, die sich mit diesem Projekt verbinden und um daraus Vorstellungen einer wünschbaren Zukunft abzuleiten. So wurde deutlich, dass ein Einsatz von Robotern nur im Zusammenspiel mit Gärtnerinnen und Gärtnern wünschbar ist. Zwar wiederholen sich viele Prozesse im Gartenbetrieb und sind damit prinzipiell automatisierbar, für das Detail und das Fingerspitzengefühl benötigt man allerdings das spezielle Fachwissen und die langjährige Erfahrung einer ausgebildeten Gartenfachkraft. Gerade in solch wertvollen und einzigartigen Gartenanlagen ist dieses Wissen unabdingbar. Gleichzeitig könnte der Gärtnerberuf durch Technik ergonomischer und insgesamt attraktiver werden.
Gartenroboter sollen selbst nachhaltig und umweltschonend sein
Man konnte im Workshop den Eindruck gewinnen, dass grundlegend Offenheit gegenüber Gartenrobotern herrscht. Auch wenn die wissenschaftliche Auswertung noch läuft: Was sind Ihre ersten Erkenntnisse?
Mehnert: Zunächst mal haben wir eine große Offenheit gegenüber allen Gesprächsteilnehmenden und ihren Vorstellungen gespürt. Nun können wir aus den Gesprächen Leitlinien entwickeln, die sich in der Gestaltung und Entwicklung der Roboter wiederfinden werden. Dazu gehört unter anderem, dass sie nachhaltig produziert werden und die Umwelt nicht zusätzlich belasten sollen. Wichtig ist insbesondere der Grad der Autonomie und Flexibilität von automatisierten Geräten, die vor allem der Unterstützung und Entlastung der Gartenfachkräfte dienen sollen.
Dabei geht es um die Frage, wie viel Gartenroboter allein machen dürfen und sollen.
Mehnert: Genau, aber ebenso kontrovers wurde auch über das Erscheinungsbild diskutiert. Es gibt zum einen den Anspruch, die Roboter möglichst unauffällig in das historische Antlitz der Schlössergärten einzubinden. Zum anderen ist aber die Sichtbarkeit der Roboter als Werkzeug der Gartenfachkräfte auch ein Element, das spannend für Besucherinnen und Besucher sein kann. Vielleicht sollten sie zum zukünftigen Bild dazugehören? Hier wurde auch an die mögliche Bildungsarbeit gedacht und darauf verwiesen, dass sich die Wertschätzung der Parkanlagen durch einen Robotereinsatz eventuell verändert.
Neue Technologien entstehen nicht einfach so von oben herab. Vielmehr sind es soziale Prozesse.
Wie sollen die Ingenieurinnen und Ingenieure des Barkhausen Instituts und der TU Dresden mit diesen Anforderungen umgehen?
Mehnert: Hier heißt es für das Projekt erstmal, diese Aspekte bei den Prototypen kontinuierlich mitzudenken, aber auch zu priorisieren. Das Design ist neben der Funktionalität, der Sicherheit und der Wirtschaftlichkeit einer von mehreren, wichtigen Gesichtspunkten. Es ist die Kombination dieser unterschiedlichen Faktoren, die das Projekt erfolgreich machen.
Sie wussten, dass an der Diskussion über Gartenroboter für Schlossparks interessierte Parkbesucher, Gärtnerinnen, Technikspezialisten, Denkmalschützerinnen und viele weitere Menschen teilnehmen werden. Wie bereitet man sich auf diese Vielfalt vor?
Fischer: Wir sind mit partizipativen Diskussionen über automatisierte Assistenztechnologien gut vertraut, beispielsweise auch in der Pflege. Obwohl es sich um zwei völlig unterschiedliche Einsatzbereiche handelt, lassen sich solche Diskussionen ähnlich strukturieren. Da das Projekt für Gartenroboter aktuell noch ganz am Anfang steht, bietet sich ein großer Gestaltungsspielraum und die Möglichkeit, diesen über den gemeinsamen Austausch in Richtung des Wünschbaren einzugrenzen. Dazu haben wir auf die Arbeit mit Zukunftsvorstellungen zurückgegriffen. Ausgehend von einem fiktiven Scheitern oder Gelingen des Vorhabens haben wir im Workshop gemeinsam mit den Teilnehmenden abgeleitet, was erstrebenswert ist und was vermieden werden sollte. So sind erste Leitplanken für die weitere Arbeit entstanden.
In so einer Bürgerdiskussion geht es ja zunächst einmal darum, herauszufinden, welche Sichtweisen auf ein Thema existieren. Wie muss man sich nun die tiefergehende, wissenschaftliche Auswertung des Workshops vorstellen?
Fischer: Das ist ein laufender Prozess, der nicht nach einem Workshop abgeschlossen ist. Vielmehr tragen unsere Ergebnisse zu der weiteren Entwicklung bei und hinterlassen ihre Spuren innerhalb des Entwicklungsteams. Im Anschluss an den Workshop fand daher mit den Ingenieurinnen und Ingenieuren bereits eine erste Reflexion der Diskussion statt, etwa zu dem ebenfalls besprochenen Thema der technischen Zuverlässigkeit.
Ihr Fazit, was muss passieren, damit in Sachsens Schlossparks und historischen Gärten bald Gartenroboter nachts vielleicht Bäume und Hecken gießen?
Fischer: Ob das passieren soll und, falls ja, wie, ist die Frage, die das Projekt insgesamt zu klären sucht. Gerade deswegen haben wir gemeinsam erste Richtungen ausgelotet und das Entwicklungsteam wird diese in Prototypen konkretisieren. So finden wir gemeinsam heraus, welche Tätigkeiten Roboter übernehmen sollen und können, wie sie aussehen sollen und ob das insgesamt ein sinnvoller Beitrag zum Erhalt der Gärten im Kontext des Klimawandels sein kann.
Mehnert: Man muss sich klarmachen, dass die Zukunft nicht in Stein gemeißelt ist und gerade neue Technologien nicht einfach so von oben herab entstehen. Vielmehr sind es soziale Prozesse, die maßgeblich beeinflussen, ob eine Technologie sich erfolgreich etabliert oder nicht. Technologieentwicklung passiert nicht ausschließlich in Laboren oder Werkstätten. Sie ist ein Teil der Gesellschaft, in den viele verschiedene Anspruchsgruppen mit eingebunden werden.
Vielen Dank für die Antworten.
Nele Fischer
hat einen Hintergrund in Medienwissenschaften, Philosophie und Zukunftsforschung. Sie arbeitet im Berlin Ethics Lab der TU Berlin und ist freiberuflich im Kontext Organisationsentwicklung und Transformationsprozesse tätig. Ihre Forschung fokussiert auf die Arbeit mit gegenwärtigen Zukunftsvorstellungen und deren Reflexion mit partizipativen Gestaltungsprozessen. Nele Fischer lehrt im Masterstudiengang Zukunftsforschung an der FU Berlin sowie an der TU Berlin.
Wenzel Mehnert
ist Zukunftsforscher und arbeitet an der Universität der Künste Berlin sowie der TU Berlin. Er forscht an der Schnittstelle von Zukunftsvorstellungen und technologischer Entwicklung. Neben der Analyse von Technikzukünften in unterschiedlichen Diskursen entwickelt er kreative Methoden zur Reflexion gegenwärtiger Zukünfte mit gestalterischen Mitteln aus Design und Literatur. In seiner Doktorarbeit widmet er sich dem Science-Fiction-Subgenre Neuropunk
Dr. Christian Schäfer-Hock begleitete den Start des Projektes zur Bewältigung des Klimawandels in historischen Gärten beim Schlösserland Sachsen und freut sich auf die erste Begegnung mit einem Schlösserland-Gartenroboter im Großen Garten.