Burg Stolpen – Geschichte in fünf Episoden

Immer diese Klagen!

Diesmal waren es die Dörfer Coblenz, Dobranitz und Cannewitz im Bautzner Land, die sich über ihren Voigt, den slawischen Edelmann Moyko von Stolpen, bei Bischof Bruno II. von Meißen, ihrem Grundherren, beschwerten. Auch die Domherren hatten schon zuvor dem Bischof die Klagen der gepeinigten und um Schutz flehenden Bauern vorgetragen. Immer wieder forderte Moyko von den Bauern der Kirche unrechtmäßige Lasten und fügte den Kirchengütern erhebliche Schäden zu. Das Domkapitel hatte mit Erlaubnis des Bischofs 1222 die Vogtei mit den drei Dörfern für 27 Mark Silber (ca. 6,75 kg) von Moyko gekauft.

Doch den Slawen als Verwalter einzusetzen, war offensichtlich keine gute Idee. Bereits einige Jahre zuvor war es dem Bischof gelungen, Moyko zum Verkauf der Burg Stolpen zu bewegen. 168 Mark Silber (ca. 42 kg) musste Bruno sich dazu vom Domkapitel leihen. Zunehmend gelang es dem Bischof durch Kolonisation, um Stolpen eine eigene Grundherrschaft aufzubauen. Doch der Widerstand des Markgrafen und auch des Landadels wuchs und die Zeiten blieben unruhig. Bischof Bruno konnte seine Schulden nicht bedienen. 1227 übertrug er als Ausgleich dem Domkapitel die Dörfer Leutewitz (heute zu Dresden gehörend) und Reppnitz (bei Burg Scharfenberg zwischen Dresden und Meißen gelegen). Auch seine jährlich zu haltende Totenmesse stiftete er bei dieser Gelegenheit. Er fühlte sein Ende nahen und musste das Jenseits vorbereiten.

 

Eine Ungeheuerlichkeit!

Da beschuldigte dieser Johann von Winckwitz ihn, den Bischof Johann VII. von Meißen, gegenüber dem Kurfürsten, er tyrannisiere die Pfarrherren aus Herzog Georgs Gebieten mit Gewalt. Drei seien „in ein abscheuliches Gefängnis geworfen“ worden. Einen habe der Bischof gar „ums Leben bringen lassen.“ Schnell verbreitete sich das Gerücht, der Bischof habe den Pfarrer Jacob Seidel aus Glashütte im Gefängnis von Stolpen eigenhändig erwürgt. Bei einer Anhörung in Leipzig äußerte ein anderer vom Bischof vorgeladener Pfarrer, der seiner Vorladung aus Furcht vor Gewalt mehrfach nicht nachgekommen war, er „habe das von vielen gehört.“ Der Bischof widersprach heftig, wurde böse und schrie, denn er habe seine „Lebtage noch keinen erwürget!“

Der Pfarrer Seidel aus Glashütte hatte nach Luthers Anregung das Zölibat verworfen und sich verheiratet. Am Pfingsttage 1521 wurde er inhaftiert. Gegen Bürgenstellung kam er frei. Doch er predigte in Döbeln weiter im Sinne Luthers diesen „verdammten hussitischen Irrtum!“ Im Auftrag des Bischofs wurde er durch die Söhne des Herzogs, der ein treuer Katholik war, neuerlich verhaftet. Seidel konnte fliehen, wurde wieder gefasst, nun des Amtes enthoben und des Landes verwiesen. 1524 ist er als lutherischer Prediger in der freien Reichsstadt Nürnberg nachweisbar. Stadtluft macht(e) frei! Die heute noch gebräuchlichen Namen der Stolpener Gefängnisse, wie Mönchs- und Ketzerloch, erinnern an diese Reformationsereignisse.

So ein Saukrieg!

Der meißnische Bischof Nikolaus II. von Carlowitz war im April 1555 auf Stolpen verstorben und wurde hier wie sein Vorgänger begraben. Ein schreckliches „Donner-Wetter“ zu Wurzen, bei dem der Blitz ins Schloss eingeschlagen hatte, während der aussichtsreichste Nachfolger Johann von Haugwitz noch zu Bette lag, sah man später als ein unheilvolles Omen. Die Familie derer von Carlowitz drängte, wohl auch ermuntert vom Kurfürsten, auf eine baldige Testamentsvollstreckung. Sie behaupteten, es gäbe ein zweites, für sie günstigeres, Testament, das unterschlagen worden wäre. Der kurfürstliche Stallmeister Hans von Carlowitz auf Zuschendorf verfasste eine Fehdeerklärung und ließ sie unverzüglich nach Stolpen zu Bischof Johann IX. bringen. Bereits einen Tag später erschien Carlowitz vor Stolpen „und hätte dem Bischof nach seinem Leben gestanden.“ Hans von Carlowitz zog marodierend durch die bischöflichen Besitzungen.

Vor Wurzen brachte er 700 Schweine (Säue) auf, weswegen man diese Fehde später den Saukrieg nannte. Ein Ausfall der Verteidiger endete mit neun Verletzten, fünf davon starben. Vor Bischofswerda sei es Carlowitz schon fast gelungen, das äußere Tor zu überwinden. Die ganze Bürgerschaft, „Männer wie Weiber“, hätten sich „ritterlich gehalten.“ Eine unerschrockene und resolute Magd habe dabei einen Reiter mit einer Mistgabel vom Pferd gestoßen, sei auf ihn „eingefallen“, um ihn dann an den Haaren zu einem Kellerloch zu schleifen und hinunterzustürzen. Vor Stolpen ereignete sich vor Weihnachten ein weiteres Scharmützel mit sechs Toten. Wieder hatten die Verteidiger einen unglücksseligen Ausfall gewagt. Erst jetzt griff der Kurfürst als oberster Schutzherr des Landes ein. Er konnte nun den geschwächten Bischof zum Gebietstausch zwingen, Stolpen wurde kurfürstlich. Die Carlowitzsche Fehde war eine der letzten größeren Fehden Sachsens, ehe der werdende wettinische Territorialstaat mit seinem Schutzmachtanspruch die Fehde als Rechtsmittel verdrängte.

Was für ein Affront!

Große Aufregung entstand im März 1731. Unter den Bediensteten der Gräfin Cosel herrschte ein „stets währender Zank“ und Streit, der Mitte des Monats eskalierte. Die Gräfin entließ daraufhin ihren Lakaien Christian Hentschel. Zu seiner Verteidigung gab der Lakai zu Protokoll, die niederen Bediensteten hätten das üble Gerede angerichtet. Unter anderem habe die Köchin zu ihm geäußert, „dass ihre Exzellenz die Frau Gräfin von Cosel gesagt hätte, sie wünschten, dass sie lieber mit einem Schwein-Hirten zu tun gehabt“ hätte, „als mit ihrer königlichen Majestät (August dem Starken) und mit ihm (dem Hirten) im Lande herumgezogen wären.“

Der Kommandant ließ umgehend Hauptmann Holm kommen, der sich dann die Köchin vornahm. Die aber bestritt alles. „Die Köchin ist ohnedem ein boshaftes-böses Mensch, die sehr übel von ihrer Exzellenz der Frau Gräfin spricht“, urteilte Holm. Der Lakai Hentschel unterzeichnete ein Papier, worin er bezeugte, dass er „wegen der angegebenen Klatschereien niemals solange er lebe einen Anteil“ hatte. Entlassen wurde er trotzdem. Auch die Köchin musste gehen. Der Oberkommandierende der sächsischen Hauptfestungen Graf Wackerbarth fand, dass die „Klatschereien“ nicht von einer solchen Beschaffenheit „zu seien scheinen“, dass er eine offizielle Untersuchung anstrengen möchte. Groß war die Gefahr, dass die darin liegende Majestätsbeleidigung auch sein eigenes Ansehen beim König untergraben könnte.

Ein echtes Husarenstück!

Anfang September 1756 erschien abends der preußische Oberstleutnant von Warnery, der mit einem Husarenregiment von Schlesien nach Lohmen kommandiert war, vor Stolpen. Angesichts der Festung wollte er mit dem Kommandanten verhandeln, um den schnellen Vorbeimarsch der preußischen Verbände zu ermöglichen. Lediglich mit einem Trompeter und einem Husaren ritt Warnery der Stadt entgegen. Die Festung befand sich in einem arglosen Zustand. Nur eine Invalidenbesatzung war stationiert und Bauern aus der Umgebung mussten Wachdienste leisten. Alle Zugbrücken standen offen. Handstreichartig überrumpelte Warnery mit vorgehaltener Pistole die erschrockenen Schildwachen an den Toren, entwaffnete sie und schickte sie nach Hause. Sollten sie wiederkommen, so wolle er sie verprügeln, gefangen nehmen oder in die preußische Infanterie stecken. Mit vorgehaltener Pistole forderte Warnery nun den Festungskommandanten von Liebenau auf, ihm die Festung zu übergeben. Dabei löste sich aus Warnerys Pistole „aus Versehen“ ein Schuss und traf Liebenau in die linke Seite. Es dauerte noch bis zum Einbruch der Nacht, bis der preußische Oberst Putkammer mit 30 Husaren die Festung vollends besetzte. Warnery bedauerte später, vor Aufregung nicht an die vorhandenen Garnisons- und Amtsgelder gedacht zu haben, die ihm der preußische König wohl als Kriegsbeute überlassen hätte. Warnerys Pistolenschuss auf Stolpen gilt heute als der erste feindliche Schuss des Siebenjährigen Krieges.

 


Letzte Änderung: 17.09.2020
Autor: Jens Gaitzsch