Die Geschichte vom doppelten Nikolaus
Apropos Pferde - Aschenbrödels deutsches Filmpferd Nikolaus hieß eigentlich Kalif und war wohl ursprünglich aus Israel auf unbekannten Wegen zum DDR-Staatszirkus Busch gekommen. Dort sprang es einige Jahre im Programm z. B. durch brennente Feuerreifen und wurde danach an Stuntmänner verkauft. Als diese 1965 bei den Dreharbeiten zum DEFA-Film „Die Söhne der großen Bärin“ von Jugoslawien aus in den freien Westen türmten, ließen sie Nikolaus und andere Filmpferde in einem Eisenbahnwaggon zurück. Die DEFA nahm sich der verlassenen Tiere an und so kam Kalif zur Betriebssportgruppe der DEFA, wo er z.B. als Schul- und Voltigierpferd eingesetzt wurde, aber auch in verschiedenen Filmen mitspielte.

Trotz seiner Erfahrungen als Filmpferd musste Kalif beim Dreh zu „3HfA“ auf teils kreative Weise zu den gewünschten Handlungen gelockt werden. Für die Szene in der Pferdebox, als das Aschenbrödel mit Nikolaus spricht und dieser ihr den Kopf zuwendet, setzte sich ein Wärter des Hengstdepots Moritzburg unter den Bauch des Tieres und lockte es solange mit einer Möhre, bis es mit Libuše Šafránková Auge in Auge war. Um bei der Szene an der Treppe des Balls Nikolaus zum Nicken zu animieren, zwickte man das Pferd dann kurzerhand in die Seite.

Doch nicht nur die Arbeit mit den Pferden stellte hohe Anforderungen an die Filmcrew. Auch die Witterung und die Gegebenheiten vor Ort waren schwierig. Für einige der Szenen rund um den Ball im Schloss sollten die Filmfiguren in hohem Tempo über die Schlossterrasse und die unmittelbar angrenzenden Wege reiten. Die historischen Sandsteinplatten und Wege waren durch die kalten und feuchten Winternächte stellenweise mit Reif und Eis überzogen.
Da Stürze der Darsteller wochen- und monatelange Drehpausen zur Folge gehabt hätten, entschied man sich, die Darsteller besonders in den rasanten Reitszenen von Angehörigen des Hengstdepots bzw. der Reitsportgruppe Moritzburg doubeln zu lassen. So saß die Chefin der RSG Moritzburg, Marion Becker, immer dann auf dem Pferd, wenn das Aschenbrödel in den Moritzburgszenen von hinten zu sehen ist.
Auch die drei Gestütswärter Gerhard Jürgens, Frank Weiße und Ulrich Junghanns galoppierten statt des Prinzen-Schauspielers und seiner Begleiter durch den Schlosspark. Dabei benötigten sie den Weg bis zum Ende des Schlossparkes als Auslauf, um nicht beim Abbremsen hinter den Toren zur Schlossinsel ins Straucheln und Rutschen zu geraten.
Fischige Pracht statt weißem Zauber
Auch die Moritzburger Landschaft entsprach an den Drehtagen um den 19. Januar herum nur bedingt den Vorstellungen des Regisseurs. Denn obwohl in Böhmen bereits der Winter mit viel Schnee die perfekte Kulisse für das Wintermärchen bot, war es in der DDR zwar kalt, aber leider nur wenig weiß. Besonders die Schlossteiche zeigten sich als schwarze, vereiste Fläche. Um zumindest die Flächen am Ufer der Teiche halbwegs winterlich zu gestalten, verteilte man überall Kunstschnee. Dieser, vorwiegend auf Basis von Fischmehl, erzeugte „Schnee“ löste sich aber über Nacht in Wohlgefallen auf und hinterließ stattdessen einen üblen Gestank auf Wald und Wegen.
Das Problem der schwarzen Teichflächen löste sich dann zum Glück auch über Nacht auf. Da die Drehtage in Moritzburg um ein Wochenende herum lagen, fanden sich am Nachmittag und Abend Schlittschuhläufer aus Moritzburg und Umgebung und schliffen mit ihren Kufen die gefrorenen Oberflächen weiß. Aufgrund des fehlenden Schnees verlegte man kurzerhand auch einige geplante Einstellungen von Moritzburg auf die späteren Drehs im Böhmerwald.

Neben den Außenszenen im Umfeld des Balls wurden noch einige kleine Einstellungen am östlichen Teichufer (z. B. der Präzeptor stellt den Jungen nach, um sie zum Lernen zu animieren) bzw. den Wegen zum und um das Schloss gedreht. Auch einen Teil der Verfolgungsjagd zu Pferd zwischen dem Prinzen und Aschenbrödel drehte man auf einem Feld bei Cunnertswalde nahe Moritzburg.
Am 22. Januar 1973, laut Disposition der 19. Drehtag, waren die letzten Szenen in Moritzburg abgedreht. In den kommenden zwei Tagen erfolgte der Abbau von Kulissen und Filmtechnik. Ab dem 10. Februar starteten dann die Dreharbeiten am Schloss Švihov bei Klatovy in Tschechien, wobei es zu häufigen Unterbrechungen und Drehausfällen wegen einsetzender Schneestürme kam. Der Schnee sorgte auch für Transportschwierigkeiten beim Drehequipment. Im November 1973 hatte „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ seine Kinopremiere in der ČSSR und kam im März des Folgejahres auch in die DDR-Kinos.

Seit nunmehr 50 Jahren begeistert der Film die Zuschauer und ist, gemeinsam mit der Ausstellung im Schloss Moritzburg, für viele Menschen zu einer Weihnachtstradition geworden. Noch mehr Anekdoten rund um die Entstehung des Kultmärchens gibt es noch bis 26. Februar 2023 in der Winterausstellung „3 Haselnüsse für Aschenbrödel“ auf Schloss Moritzburg zu entdecken.
Mehr zum turbulenten Filmdreh in Moritzburg findet Ihr außerdem im ersten und im zweiten Teil der Blogserie.
Seit 2019 ist Ronald Schramm Mitarbeiter der Museumspädagogik im Schloss Moritzburg. Beim Durchforsten der Drehbücher zu "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" stieß er auf viele spannende Geschichten zu den Umständen des Filmdrehs.