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50 Jahre Kultfilm: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (Teil 1)

Der Filmdreh zu „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" (Teil 1)

Ronald Schramm /

Aschenbrödel als Prinzessin hoch zu Pferd
Zur Jahreswende 2022/23 jährt sich der Dreh zum Wintermärchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" zum fünfzigsten Mal. Grund genug noch einmal an den Winter 1972/73 zurückzudenken.

Das Jahr 1972: Watergate-Affäre in der USA, Willy Brandt wird zum zweiten Mal Bundeskanzler, in München kommt es zum Olympiaattentat, die schwedische Popgruppe ABBA gründet sich und die Science-Fiction-Serie „Star Trek“ (Raumschiff Enterprise) läuft zum ersten Mal im deutschen Fernsehen. Und sonst so?

Genau: im Januar und Februar 1972 starten die ersten konkreten Arbeiten zur DDR/ČSSR-Koproduktion „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ („3HfA“). Um die Jahreswende 1972/73 beginnen dann die eigentlichen Dreharbeiten.

Ein altes Märchen neu erzählt

Dabei wollten die Filmemacher keine Neuinterpretation oder Adaption des bekannten Grimm’schen Märchens vom Aschenputtel schaffen, wie z.B. Disney mit seiner Animations-Adaption von 1957. Vielmehr sollte es eine Verfilmung nach dem Märchen der tschechischen Nationalschriftstellerin Božena Němcová werden. Diese hatte, ganz ähnlich wie die Grimms in Deutschland, im 19. Jahrhundert in Böhmen Märchen gesammelt und aufgeschrieben.

 

Der Drehbuchautor von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, František Pavlíček, verarbeitete dann verschiedene Elemente aus diesen Märchen von Němcová und modernisierte den Ausgangsstoff ein wenig. So unterscheidet sich die Figur des Aschenbrödels also letztendlich von jener der Grimms und auch der von Božena Němcová.

 

Das wesentlich selbstbewusstere und auch emanzipiertere tschechische Aschenbrödel begeisterte die Kooperationspartner in der DDR auch im Sinne der sozialistischen Staatsidee: „Die moralische Niederlage von Stiefmutter und Stiefschwester und der Sieg Aschenbrödels stellen auch einen moralischen Sieg des Volkes, der hart arbeitenden, unterdrückten einfachen Leute über ihre Ausbeuter dar.“

 

So zumindest lobte der leitende Dramaturg für Kinderfilme bei der DEFA in Berlin, Klaus Richter de Vroe, den Drehbuchentwurf für das gemeinsame Filmprojekt. Allerdings kam schon der Start des Projektes nicht ohne kleinere und größere Schwierigkeiten aus.

Vom Sommermärchen zur Wintergeschichte

Obwohl dem Regisseur Václav Vorlíček ein Frühlings- und Sommermärchen in Renaissance-lastiger Kulissen- und Landschaftswelt vorschwebte, war klar: für ein solches aufwendiges, ausstattungsstarkes Vorhaben fehlte den Prager Barandov-Studios das nötige Kleingeld. So holte man die Filmgesellschaft der DDR, die DEFA, mit ins Boot und schickte das erste Drehbuch nach Berlin. Dort befand man das Ausgangsmaterial für gut, hatte aber doch noch Änderungswünsche. Zum einen sollte den DDR-Kindern, die eher die Grimm’sche, zauberhafte Variante des Aschenbrödels kannten, ein besserer Zugang zur Geschichte ermöglicht werden. Zum anderen waren die DEFA-Studios in den Frühlings- und Sommermonaten immer gut mit eigenen Produktionen ausgelastet, während in der Winterzeit eher Flaute herrschte. Um die eigenen Angestellten also auch in der kalten Jahreszeit beschäftigt zu wissen, einigte man sich letztendlich auf eine Winterversion der Geschichte.

 

Nachdem man sich auf die grundlegenden Rahmenelemente verständigen konnte, begann man im Spätsommer und Herbst 1972 mit der Motivsuche für Drehorte und der Festlegung der Besetzung. So sollten etwa die Hälfte der 14 Aufnahmen an Außen- bzw. Originalschauplätzen in der DDR gedreht werden, darunter der Gutshof, eine Landschaft mit einem großen Teich sowie verschiedene Szenen an einem Schloss. Die Darsteller sollten ebenfalls ausgewogen aus beiden Nationen kommen, wobei die Rolle des Aschenbrödels von einer tschechischen Darstellerin verkörpert werden sollte.

Am 12. Oktober 1972 ging in der Hauptverwaltung des Ministeriums für Kultur der DDR der Antrag auf Filmzulassung für „3HfA“ ein. Vermerkt sind die anvisierte Länge der Filmrolle von 2.474 Meter, die Herstellungskosten von 860.000 Mark, ein Gewinn (ökonomische Zielstellung genannt) von 330.000 Mark und 100.000 Mark im Ausland sowie der genehmigte Export des Films in sozialistische und kapitalistische Länder. Außerdem sollte auf amerikanischem Filmmaterial von Eastmancolor gedreht werden, welches von wesentlich besserer Qualität als das übliche ORWO-Filmmaterial war.

Von der Schwierigkeit ein Aschenbrödel zu finden

Bei der Auswahl der Schauspieler ergaben sich dann besonders beim Aschenbrödel selbst unerwartete Probleme. Der Regisseur hatte Schwierigkeiten, ein passendes junges Mädchen für die Rolle zu finden, das seinen Vorstellungen entsprach. Denn neben der Eignung für die Rolle als selbstbewusste junge Frau und Prinzessin sollte die Darstellerin möglichst auch Reiten können. So bat man, nach vielen erfolglosen Vorsprechen, auch die DEFA nach einem 16- bis 17-jährigen hübschen Mädchen zu suchen. Regisseur Vorlíček erklärte sich bereit, im Zweifel sogar mit einer Amateurin zu arbeiten.

 

Zum Glück erinnerte er sich bald an Libuše Šafránková, die in dem erfolgreichen tschechischen Film „Die Großmutter“ mitgespielt hatte. Wunderbarerweise konnte sie sogar reiten.

Seit 2019 ist Ronald Schramm Mitarbeiter der Museumspädagogik im Schloss Moritzburg. Beim Durchforsten der Drehbücher zu "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" stieß er auf viele spannende Geschichten zu den Umständen des Filmdrehs.

Die weiteren Teile der Serie zum Kultfilm sind hier und hier zu finden.

 


Letzte Änderung: 24.01.2020

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